Freitag, 26. Oktober 2007

Rekordfahrt und Aufgaben im schweren Sturm

"Rambler" (USA) setzt neuen Maßstab / Hamburger "Vineta" Dritter

Mit einer neuen, phantastischen Rekordzeit knapp unter zwei Tagen gewann die "Rambler" von George David aus den USA das 28. Rolex Middle Sea Race in Malta. Durch haushohe Wellen in orkanartigen Böen hatten mehr als drei Viertel aller teilnehmenden Segelyachten während der Hochseeregatta aufgegeben. Nur 16 von 69 gemeldeten Booten kamen nach 607 Seemeilen (mehr als 1000 Kilometer) ins Ziel. Von fünf gestarteten deutschen Schiffen schafften es die Hamburger "Vineta" von Felix Scheder-Bieschin, die Gesamtdritte wurde, und die "Guts 'n Glory" aus Bückeburg unter Skipper Marcus Mattes. Die Crew der australischen "Loki" wurde nach einem Ruderbruch per Hubschrauber abgeborgen und gab die Rennyacht verloren. Sie zerschellte später an der Felsküste.

Während Nord- und Ostsee Mitte Oktober in ruhigem Herbstwetter lagen, kochte das Mittelmeer rund um die Insel Malta. Schon die Anreise zum Rolex Middle Sea Race gestaltete sich für viele Mannschaften wegen der extremen Wetterlage schwierig. Doch im Rennen selbst sollte es noch härter kommen. "In der Spitze haben wir 54 Knoten gemessen", berichtete Scheder-Bieschin, "das ist schon richtig viel Wind" - Stärke zehn. Auch die Marten 49 "Vineta", die das Rolex Sydney Hobart Race wegen Wassereinbruchs noch hatte aufgeben müssen, kämpfte wieder mit schwerem Wetter, kam aber diesmal ohne größere Schäden durch.

"Schon bei der Küstenwettfahrt vor der Langstrecke hatten wir stürmische Winde. Das solide Verhalten dabei hat uns das nötige Vertrauen in das Boot gegeben, dem es auch gerecht wurde", meinte der Kieler Navigator Ole Satori. Ohne wirklich in Nöte gekommen zu sein, werde er die Naturschauspiele nicht vergessen. "Neben uns schlug der Blitz ein und zog eine Wasserhose vorbei. Das war schon beängstigend."

"Nur das Großsegel riss zwischendurch ein und wurde genäht, was allerdings nicht lange hielt", sagte Eigner Scheder-Bieschin, "das hat uns sicher unterm Strich drei bis vier Stunden gekostet." Das waren vielleicht die entscheidenden Momente, um die belgische Open 40 "Roaring Fourty" von Michel Kleinjans nach berechneter Zeit noch vom zweiten Platz zu verdrängen. Aber bei den Hamburgern überwiegte die Freude über den dritten Rang, für den Sie am Sonnabendmittag (27. Oktober) bei der feierlichen Preisverteilung geehrt werden.

Gleich dreimal wird das Team der "Rambler" unter anderem mit zwei edlen Rolex Armbanduhren ausgezeichnet werden. Denn die US-Mannschaft war mit neuer Rekordzeit nicht nur Erster im Ziel, sondern siegte auch überlegen nach berechneter Zeit. Nicht mal in den kühnsten Träumen hatte Skipper Ken Read daran gedacht, den sieben Jahre alten Kursrekord seines Landsmanns Robert McNeill von der "Zephyrus IV" gleich um fast 17 Stunden zu unterbieten. Schließlich hatte sein Vorgänger Neville Crichton (Neuseeland) die Rekordzeit mit demselben Schiff, als es noch "Alfa Romeo" hieß, zuvor zweimal klar verfehlt. "Es war wirklich sehr windig", meinte Read, der nicht so zimperlich ist. Schließlich testet er einen Großteil der "Rambler"-Crew für das nächste Volvo Ocean Race rund um die Welt.

Zwölf Stunden lang segelte die "Rambler" gar ohne Großsegel. "Trotz drei Reffs und Sturmfock war das Boot bei Windstärke neun nur so über die weiß schäumenden Wellenberge geflogen", erzählte der Skipper, "das war aber auf Dauer zu riskant." Statt des Großsegels setzte die Mannschaft ein zweites, schmales Vorsegel, und fand darin unerwartet eine "ausgesprochen geeignete Sturmbeseglung". Ken Read: "Das Gefühl in der Magengegend ist schon mulmig, wenn eine Front mit 50 Knoten herannaht. Um uns herum gab es überall wirbelnde Wasserhosen, die uns zum Glück nicht trafen. Weil sich der Bug mit dem Vorschiff halbwegs durch die Wellen bohrte, drang Wasser ein. Das konnten wir jedoch mit Bordmitteln eindämmen. Durch die gute Vorbereitung der Crew haben wir die Sturmfahrt letztlich gut überstanden und auch noch diesen phänomenalen Rekord geschafft."

Am zweiten Regattatag lagen Freud und Leid dicht beieinander, denn während die "Rambler"-Crew zurück in Malta feierte, traf "Loki"-Eigner Stephen Ainsworth eine schwere Entscheidung: Er gab sein Schiff auf. "Bei Windstärke sieben bis acht und gut 15 Knoten Bootsgeschwindigkeit brach plötzlich das Ruderblatt ab und schwamm hinterm Heck auf", berichtete der Australier. "Wir konnten nicht mehr steuern und haben deshalb SOS gefunkt." Als Erstes drehte die Regattateilnehmerin "Atalanta II" von Carlo Puri Negri aus Italien bei, doch sie konnte die "Loki" wegen des extremen Wellengangs genauso wenig in Schlepp nehmen wie zwei Motorboote der italienischen Küstenwache.

Zu dem Zeitpunkt lag die "Loki" einige Seemeilen von der Küste des Golfs von Castallammare und drohte bei auflandigem Wind auf die Felsen getrieben zu werden. "Da eine weitere Wetterverschlechterung angekündigt war, entschlossen wir uns schweren Herzens, von Bord zu gehen und das Schiff vor Anker allein zurück zu lassen", so der Eigner. In zwei Gruppen stieg die Mannschaft nacheinander in die Rettungsinsel, weil ein Abbergen per Hubschrauber wegen des schlagenden Masts der "Loki" von dort unmöglich war. Während die Crew sicher an Land gebracht wurde, hielt der Anker später nicht. Die Yacht wurde vermutlich völlig zerstört.

So schlimm traf es andere nicht, doch viele meldeten Materialschäden. "Schon vor der Straße von Messina mussten wir unser eingerissenes Großsegel reparieren", berichtete Marcus Mattes von der "Guts 'n Glory", "doch nach der Durchfahrt auf dem Weg zur Vulkaninsel Stromboli riss es völlig kaputt. Wir hatten ein schweres Gewitter, das nicht enden wollte, mit orkanartigen Böen bis zu 60 Knoten." Unter kleiner Fock und Trysegel absolvierte die "Guts 'n Glory" den Hauptteil der Langstrecke. Mattes: "Wir wollten das Rennen unbedingt beenden, obwohl wir wussten, dass wir nicht mehr weit vorne landen konnten." Das Team wurde am Ende Zehnter.

Vernünftige Seemannschaft stand im Vordergrund, als der Hamburger Lokalmatador Sönke Stein, der lange Zeit auf Malta gelebt hat, und seine Crew der "Kerisma" entschieden, das Rennen vorzeitig zu beenden. "Es war mitten in der ersten Nacht, als der Seegang enorm und die Sicht durch Regen stark eingetrübt waren", erklärte Stein. "Wir hatten zwar noch keinen Schaden und auch kein substantielles Problem, aber einfach keinen Spaß mehr", so der Eigner und Skipper. "Wir mussten uns nichts beweisen. Wir sind keine Proficrew und haben ein sehr leichtes Schiff, das nur bedingt für Schwerwetter ausgelegt ist. Die Sicherheit geht immer vor." Er steuerte die Ker 11.3 in den Hafen von Syrakus.

Auch die Mannschaft der Lutra 52 "Aquis Granus IV" vom Akademischen Seglerverein Aachen gab den Hochseeklassiker auf. Dagegen unterbrach der Münchener Hans Nagel mit seinem Trimaran "High Q1" das Rennen nur und setzte es nach 36 Stunden Aufenthalt im Schutzhafen fort. "Dadurch hatten wir später sogar Probleme mit Flaute", berichtete der Skipper von unterwegs, "aber die Pause an Land war zu unser Sicherheit okay." Da der einzige Konkurrent in der MOCRA-Divison, der britische Trimaran "Skywalker" aufgegeben hatte, kämpfte Nagel als letztes Boot im Feld gegen das Zeitlimit der Regatta um den Klassensieg. Er sollte es am Freitagabend (26. Oktober) einhalten, bevor es am nächsten Morgen um 8 Uhr ablief.