Montag, 13. Juli 2009

Stare, Stars und Sternstunden der Rolex Baltic Week in Kiel

13.07.09 - Zur feierlichen Siegerehrung der Rolex Baltic Week 2009 erklang die brasilianische Nationalhymne, und 178 Teilnehmer huldigten den Stars der Stare mit stehenden Ovationen. Neue Segeleuropameister in der ältesten olympischen Bootsklasse wurden Robert Scheidt und Bruno Prada. Die Silbermedaillengewinner von Qingdao 2008 revanchierten sich in Kiel-Schilksee für das verpasste "Gold" vier Zähler vor den Olympiasiegern Iain Percy und Andrew Simpson aus Großbritannien, die punktgleich mit den Schweden Fredrik Lööf und Johan Tillander auf Rang zwei kamen. Mit einem überraschenden Tagessieg in der achten und letzten Wettfahrt krönten die Lübecker Johannes Babendererde und Timo Jacobs eine starke Leistung und wurde als Gesamt-Fünfte beste deutsche Crew hauchdünn hinter den Schweizern Flavio Marazzi und Enrico de Maria.

Die Starboot-EM der Rekorde - von 98 gemeldeten Booten waren 89 am Start, soviel wie nie zuvor - endete am fünften Wettfahrttag mit einen Fotofinish, wie es Hitchcock nicht spannender hätte filmen lassen können. Ganze fünf Punkte trennten die drei Top-Teams vor dem entscheidenden Rennen. Und am Ende segelten sie im Sekundentakt über die Ziellinie. Angeführt von Babendererde/Jacobs folgten Lööf/Tillander vor Scheidt/Prada sowie Percy/Simpson und Erinnerungen an das Medaillenrennen der Spiele von China wurden wach.

Die strahlenden Sieger aus Südamerika, die europaweit für Verwirrung sorgten, weil die weltoffene Starbootklasse kontinentale Titelträger von überall zulässt, genossen das Blitzlichtgewitter im feinen Ambiente der Rolex Baltic Week. Scheidt und Prada erhielten nicht nur die Oskar Meier-Trophäe sondern jeder eine edle Armbanduhr des Modells Rolex Submariner Date. "Es war eine großartige Regatta mit den härtesten Rennen seit August 2008", so der Steuermann, "viel Wind und starke Gegner verlangten uns auf dem Wasser alles ab." Die Überlegenheit der Crews auf den Podiumsplätzen beeindruckte auch die Verfolger. "Ab Platz vier beginnt bereits die Silberflotte", meinte Johannes Babendererde. Mehr als 40 Punkte separierten das unglaubliche Trio vom "Rest der Welt".

"Wir drei puschen uns gegenseitig bis ans Limit", versuchte Fredrik Lööf eine Erklärung für die Zwei-Klassen-Gesellschaft der Stare, "das stachelt alle regelrecht an." Obwohl er sich wieder "nur mit Bronze" zufrieden geben musste, weil er in der detaillierten Endabrechnung einen vierten Platz weniger als Percy/Simpson zu Buche stehen hatte, war der Steuermann zufrieden. Lööf: "Mit einem neuen Vorschoter sofort wieder in der absoluten Weltspitze mitzumischen, verblüfft mich selbst."

Scheidt/Prada hatten mit drei Tagessiegen und drei vierten Plätzen erst vor dem Finaltag die knappe Gesamtführung von Percy/Simpson übernommen. Doch dann patzten die Brasilianer im vorletzten Rennen als 30. "Wir mussten den Aussetzer aus den Köpfen bekommen", so Scheidt, und das gelang dem zweimaligen Rolex-Weltsegler des Jahres bravourös. Clever und abgebrüht in einer unvergleichlichen Profimanier behielten die Südamerikaner die Nerven. Die härtesten Verfolger aus Großbritannien wurden konsequent abgedeckt.

"Wir haben nicht nur zum Schluss, sondern die ganze Woche einige taktische Fehler gemacht und hätten es auch nicht verdient gehabt, hier zu gewinnen", resümierte Iain Percy eine Regatta, in der sie nach einer langen Trainingspause konstant unter den besten Drei der Gesamtwertung standen. Der Europameister von 2005 schaffte mit seinem Stammvorschoter quasi aus dem Stegreif Topplatzierungen am Fließband.

Bis dahin ist es für die einheimischen Hoffnungsträger noch ein Stückchen, doch zwei Crews unter den Top Sechs untermauert, dass die so genannte Königsklasse schon immer eine deutsche Domäne war. Babendererde und Jacobs haben nicht zuletzt durch ihren Tagessieg am Ende und einen zweiten Platz zu Beginn Kontakt zur Weltspitze aufgenommen. Dass sie beinahe drittbeste Europäer geworden wären, was die A-Kader-Förderung des Deutschen Segler-Verbands (DSV) ab 2010 bedeutet hätte, trübte deren Bilanz nicht. "Natürlich hätten wir das gerne in Kiel klar gemacht", meinte Johannes Babendererde, "aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben." Ärgerlich für die Youngster: Den vor ihnen platzierten Schweizern drohte noch eine Disqualifikation wegen Vorfahrtsverletzung, doch die benachteiligten Portugiesen Afonso Domingos und Rocca Leone verzichteten an Land letztlich darauf, den angekündigten Protest einzureichen.

Henning Winter, Vorsitzender des veranstaltenden Kieler Yacht-Clubs, würdigte bei der Preisverteilung auch die Titelverteidiger Robert Stanjek und Markus Koy aus Berlin und Hamburg, die als Sechste zwei Zähler hinter ihrer nationalen Konkurrenz ebenfalls mit Silber-Tellern aus dem Hause "Robbe Berking" ausgezeichnet wurden. Vor dem Schlusstag waren die Vorjahressieger noch drittbeste Europäer gewesen, hatten jedoch mit Platz 31 im vorletzten Rennen entscheidende Punkte eingebüßt. Ende Juli gibt es die nächste Chance auf eine A-Kader-Qualifikation bei der WM in Varberg/Schweden. Der Kieler Yacht-Club, erstmals Gastgeber der Rolex Baltic Week, durfte sich wiederum bereits gewiss sein, in jeder Hinsicht eine weltmeisterliche Regatta abgeliefert zu haben.

Endstand der Rolex Baltic Week / Starboot-Europameisterschaft 2009
1. Robert Scheidt/Bruno Prada (Brasilien) 18 Punkte
2. Iain Percy/Andrew Simpson (Großbritannien) 22
3. Fredrik Lööf/Johan Tillander (Schweden) 22
4. Flavio Marazzi/Enrico de Maria (Schweiz) 63,5
5. Johannes Babendererde/Timo Jacobs (Lübeck) 64
6. Robert Stanjek/Markus Koy (Berlin/Hamburg) 66
7. Mark Mendelblatt/Mark Strube (USA) 69
8. Xavier Rohart/Pierre Alexis Ponsot (Frankreich) 56
=
23. Johannes Polgar/Tim Kröger (Hamburg) 145
=
28. Alexander Schlonski/Fritjof Kleen (Rostock/Hamburg) 191
29. Alexander Hagen/Kai Falkenthal (Hamburg/Kiel) 193