Samstag, 11. August 2007

Und immer wieder lockt der Fastnet Rock

Hansens „Outsider“ (Kiel) und drei Hamburger Yachten dabei

COWES. Er ist nur ein einsamer Felsen vor der südirischen Küste mit einem Leuchtturm drauf. Und doch ist der Fastnet Rock ein Mythos. Er ist der Wendepunkt in der wohl legendärsten Hochseeregatta der Nordhalbkugel, dem Rolex Fastnet Race. Der Klassiker ist berühmt und berüchtigt für seine oft gnadenlosen Bedingungen mit schwersten Stürmen – nicht alle Segler kehrten in der 82-Jährigen Geschichte wieder heim. Das Rennen führt über 608 Seemeilen von Cowes auf der südenglischen Insel Isle of Wight durch den Ärmelkanal und die Irische See zurück nach Plymouth in der Grafschaft Devon.

Am Sonntag (12. August) startet die 42. Auflage mit einer Rekordbeteiligung von fast 300 Yachten, darunter auch vier deutsche.

Schon in den Tagen vor dem Start sammeln sich zahlreiche Rolex Fastnet-Aspiranten im und um den Solent herum an der südenglischen Küste. Viele der Regatta-Teilnehmer segelten zuvor die Skandia Cowes Week als Einstimmung auf das lange Rolex Fastnet Race. Andere reisten diese Woche eigens für den Saisonhöhepunkt in England an. Am Sonntag wird die größte Flotte seit 1979, dem katastrophalen Orkanrennen, über die Startlinie vor dem Royal Yacht Squadron in Cowes rauschen. Das erste Startsignal soll um 9.50 Uhr britischer Zeit (10.50 Uhr in Deutschland) ertönen.

„Wir sind voller Vorfreude, aber auch voller Respekt“, sagt der Kieler Tilmar Hansen, der seine neue „Outsider“ an den Start bringt. Mit der Elliott 52 hat der Hochseeveteran gerade die Transatlantikregatta HSH Nordbank blue race nach gesegelter Zeit in der Hauptgruppe gewonnen. „Nach fast 4.000 Seemeilen erscheinen die gut 600 zwar wie ein Klacks“; so der Skipper, „aber vor Leichtsinn kann ich jeden nur warnen. Die Reviere, die wir beim Rolex Fastnet Race passieren, haben allein durch die starken Tiden ihre Tücken.“

An das Fastnet Race hat Hansen überwiegend gute Erinnerungen, denn bei seinen beiden bisherigen Auftritten 1983 und 85 gewann er anschließend mit Deutschland den Admiral’s Cup, seinerzeit die inoffizielle Mannschaftsweltmeisterschaft der Hochseesegler. Und dieses Jahr will er der direkten Konkurrenz das Heck zeigen. Hansen: „In unserer Klasse sind etliche heiße 50- bis 60-Füßer dabei.“ Zur Verstärkung der „Outsider“-Crew kommt der neuseeländische Weltumsegler („Merit Cup“) Mike Quilter als Navigator an Bord. „Das gibt uns Sicherheit und garantiert unterwegs gute Laune“, so Tilmar Hansen.

Die anderen drei deutschen Boote wollen auch gewinnen, und zwar vor allem die Clubwertung der Illingworth Trophy. Sie starten unter dem Stander des Norddeutschen Regatta Vereins (NRV) Hamburg. Es sind die „Inschallah VI“ von Volker Andreae, die „Norddeutsche Vermögen Hamburg“ unter Skipper Georg Christiansen sowie Christopher Wuttkes „Guts n’Glory“. „Wir haben außerdem den veranstaltenden Royal Ocean Racing Club, den RORC, zu einer partnerschaftlichen Friendship Challenge herausgefordert“, berichtet Teamführer Andreae.

Der Hamburger ist gespannt auf die Leistung seines Schiffes im internationalen Wettbewerb unter der IRC-Wertung, denn „da fehlen uns noch die Vergleiche“. Seine 41-Fuß-Yacht, ein Judel/Vrolijk-Design, hat er eigens für diese Formel mit einen Bugspriet sowie einen neuen, größeren 150-Quadratmeter-Gennaker ausgerüstet. „Damit müsste unsere Vorwindschwäche passe sein“, glaubt der Eigner und Skipper. Mit der Atlantikerfahrenen Mannschaft des Hamburgischen Vereins Seefahrt (HVS) auf der „N. V. Hamburg“ sowie der DK 46 „Guts n’ Glory“ glaubt der zweite NRV-Vorsitzende für Regattasport, ein schlagkräftiges Team zusammen zu haben, um möglicherweise sogar in die Geschichte der Regatta einzugehen.

Und das Rolex Fastnet Race ist eine Regatta mit langer Historie. Denn den ersten Wettbewerb gab es schon 1925. Das Rennen wurde anschließend – außer einer Unterbrechung in den 40er-Jahren – seit den frühen 30ern alle zwei Jahre veranstaltet. Für viele Segler ist die Teilnahme an dieser reinen Blauwasser-Regatta eine große Herausforderung – ob das erste, das fünfte oder das 20. Mal. Da gibt es jene Enthusiasten, die immer wieder zurückkehren – immer wieder mit dem eisernen Willen, sich erneut mit zuweilen unvorhersagbaren und unbeständigen Winden sowie den tückischem Strömungen in den Gewässern entlang der südenglischen Küste zu messen.

Für Piet Vroon und Ken Newman war eine Regatta nie genug. Der Holländer Vroon ist diesmal mit seiner Lutra 56 „Formidable“ dabei. Es wird sein 23. Fastnet-Rennen. Nach über 40 Jahren Wettkampf gewann Vroon 2001 die Klassen IRC und IRM und nahm beide Trophäen, den Fastnet Challenge Cup und die Fastnet Rock Trophy, sowie ein Rolex Yacht-Master Chronometer mit nach Hause.

Ken Newman, der mit seiner Swan 51 „Grandee“ teilnimmt, übertrifft Vroon sogar noch. 24 Teilnahmen kann Newman für sich verbuchen und hat seit seinem ersten Fastnet 1967 nur eines in den folgenden 40 Jahren verpasst. Was den unerschrockenen 78-Jährigen Segler immer wieder zurück an die Startlinie bringt, ist mehr als nur die pure Gewohnheit. Das Rolex Fastnet, anders als andere Hochseeregatten, bietet einen Kurs mit mehreren Etappen, die ihre ganz eigenen Anforderungen haben. Newman: „Es ist eine klassische Regatta, die sehr verschiedene Situationen bereit hält, und jede Etappe ist irgendwie eine neue Herausforderung. Denke nie, du hast schon gewonnen. Und denke nie, du hast schon verloren.“

Newman wird oft gefragt, ob er bei dem „schlimmen Rennen“ (gemeint ist das 79er Fastnet) dabei war. Aber für ihn war 1957 das schlimmere Rennen an Bord der „Bluejacket“. „Es war fruchtbar“, erinnert er sich an Stürme, die die Flotte heimsuchten. „Zwei Blöcke für unser Genuafall sind zerborsten, und wir mussten vor Brixham ankern. Es hat fünf Tage gedauert, aber wir haben das Rennen beendet.“ Von 41 gestarteten Yachten belegte die „Bluejacket“ am Ende den zwölften und damit letzten Platz, kam aber im Gegensatz zu den 29 anderen Booten, die das Rennen aufgeben mussten, kam sie wenigstens ins Ziel.

Unterdessen haben sich bei den hart umkämpften IMOCA 60’s, die nach Klassenregeln segeln, einige Top-Segler zusammen gefunden. So nimmt zum Beispiel der Brite Alex Thompson auf der „Hugo Boss“ die Hilfe des Whitbread/Volvo Round the World Race-Veteranen und America’s Cup-Navigators Andrew Cape aus Australien in Anspruch. Dee Caffari auf der „Aviva“ hat den Wetterexperten Mike Broughton an Bord, um die richtigen taktischen Entscheidungen zu treffen. Außerdem steht der Olympische Goldmedaillengewinner im Rudern, Sir Matthew Pinsent, auf ihrer Crewliste, der aber als Journalist mitsegelt und daher sicher nicht an den Winschen kurbeln wird.

Die meisten Segelexperten rechnen mit einem Zweikampf um die Ehre, als erstes Einrumpfboot die Ziellinie zu erreichen. Die brandneue 30 Meter lange „ICAP Leopard“ von Mike Slade (Großbritannien), ein Farr-Design mit Schenkkiel, fordert Neville Crichton’s jüngstes Reichel/Pugh-Design, die neuseeländische „Alfa Romeo“ heraus. Letztere hat bereits etliche Siege eingefahren, seit sie vor zwei Jahren zu Wasser gelassen wurde. Die beiden Yachten werden zuvor erstmals bei einigen Kurzrennen vor der Küste aufeinander treffen.

Das wieder auflebende Interesse an Hochseeregatten hat den Royal Ocean Racing Club als Veranstalter des Rolex Fastnet Race dazu veranlasst, die Teilnehmerzahl in diesem Jahr auf 300 zu begrenzen. Die Registrierungen kamen schnell, und schon nach zwei Monaten war die Liste nahezu voll. Nach wie vor werden Zertifikate und Einhaltung des Regattareglements kontrolliert. Die endgültigen Rennwerte werden erst kurz vorm Start bekannt gegeben.

Die Rolex Fastnet Race Webseite ist unter http://fastnet.rorc.org online. Während des Rennens können die Zuschauer zu Hause vor dem PC die Positionen der 300 Boote verfolgen, die via OC-Tracker, mit dem jede Yacht ausgerüstet ist, virtuell dokumentiert werden. Der Fastnet Challenge Cup wird an den Gesamtsieger nach IRC vergeben. Einen edlen Rolex Chronometer bekommt ebenfalls der Fastnet Challenge Cup-Gewinner sowie die Einrumpf-Yacht, die als erste die Ziellinie überquert. Neben der Trophäe für den Gesamtsieg nach IRC gibt es zusätzlich 30 weitere Auszeichnungen, die bei der Siegerehrung am Freitag, dem 17. August, in der historischen Royal Citadel – der Heimat des 29. Kommando-Regiments der Königlichen Artillerie – mit Blick auf den Hafen von Plymouth vergeben werden.