Freitag, 6. Juli 2007

Interview mit Alinghi-Präsident Ernesto Bertarelli

Ernesto Bertarelli, worin besteht die Faszination und der Zauber des America's Cup?
"Der America's Cup ist die älteste Trophäe im Sport. Er vereint Teamwork, Technologie und die Unberechenbarkeit der Elemente wie Meer und Wind. Das macht für mich die Faszination aus."

Weshalb wurde das Format für den 32. America’s Cup abgeändert?
"Mit dem neuen Format versuchen wir die Teams zwischen den Ausgaben «am Leben zu erhalten». Es ging uns darum, sicherzustellen, dass alle auf dem Laufenden bleiben, nicht nur, was das effektive Segeln angeht, sondern auch punkto Kommunikation. Wir wollten die Leidenschaft, mit der wir diesen Sport betreiben, auch kontinuierlich kommunizieren. Wir wollten die Möglichkeit schaffen, zu reisen, andere Orte zu besuchen und möglichst vielen Leuten hautnah zu zeigen, wie wunderbar das Segeln ist."

Wie erfolgreich waren die Acts?
"Die Acts waren ein entscheidender Faktor für den Erfolg des 32. America's Cup. Sie waren eine gute Möglichkeit, den Event zu promoten und den Cup an verschiedenen Orten in Europa zu präsentieren. Zudem konnten wir so das Niveau innerhalb des Teams steigern und auch die Konkurrenz auf den Standard bringen, den wir für den Match hatten. Ich glaube nicht, dass Alinghi und Emirates Team New Zealand so eng beieinander gelegen hätten, wenn wir nicht
in den Acts gesegelt und mehrmals gegeneinander angetreten wären. Ich denke, genau deshalb kam es am Schluss zu einem derart umkämpften Finale."

Weshalb haben Sie Valencia als Austragungsort gewählt?
"Auch Valencia hat entscheidend zum Erfolg dieses America's Cup beigetragen. Spanien hat sich hier von seiner besten Seite gezeigt, indem die Leute unsere grosse Vision für den Sport teilten. Sie haben uns einen fantastischen Austragungsort geschaffen, mit einer wunderbaren Infrastruktur aber auch mit einem spannenden Rennkurs. Die Spanier haben selbst teilgenommen, sie haben sich in diesen Sport verliebt und uns während der ganzen Zeit nach Kräften unterstützt."

Was sagen Sie zur Veränderung, die Valencia seit 2003 durchgemacht hat?
"Als wir das erste Mal hierher kamen, sahen wir einen rohen Stein ohne Form und Glanz. Über die Jahre wurde dieser Stein geschliffen und poliert und ein echtes Juwel kam zum Vorschein. Ein Stein, das sich während des abschliessenden Matchs als strahlender Brillant präsentierte."

Zu welchem Zeitpunkt haben Sie realisiert, dass Alinghi den Herausforderern voraus ist?
"Irgendwie hat uns Act 13 ein wenig irregeführt. Es stimmt, wir haben Act 13 mit SUI91 dominiert und wussten, dass SUI100 schneller ist als SUI91. Wir haben uns dadurch ein wenig zu sicher gefühlt und waren schon sehr überrascht, als Emirates Team New Zealand im Match so schnell und stark war. Wir brauchten einige Rennen, um uns zu fangen und auf dem Rennkurs das Beste aus uns herauszuholen und letztlich zu gewinnen."

Wie beurteilen Sie die Leistung der Herausforderer im Louis Vuitton Cup im Vergleich zur letzten Kampagne?
"Die Herausforderer waren viel stärker als letztes Mal. Das zeigte sich nicht unbedingt im Ranking, denn viele der guten Teams fielen schon nach der Round Robin aus dem Wettbewerb. Ich denke da vor allem an Mascalzone Latino-Capitalia Team, die wohl heute noch eines der schnellsten Boote der ganzen Flotte besitzen. Sie haben es aber nicht in die Halbfinals geschafft. Viele waren in den Halbfinals wohl überrascht, wie schwierig der Rennkurs war und wie schwierig es deshalb wurde, zu gewinnen, eine Führung zu verteidigen oder einen Konkurrenten zu überholen. Zuletzt zeigte es sich dann im Match, dass man für den Erfolg nicht nur ein schnelles Boot brauchte, sondern auch eine erstklassige Taktik."

Gab es im Louis Vuitton Cup ein Resultat, mit dem Sie nicht gerechnet hätten?
"Ich war sehr überrascht vom Abschneiden der Spanier. Sie hatten eine äusserst erfolgreiche Kampagne. Meiner Meinung nach haben sie hier alles erreicht, was sie erreichen wollten und sie werden auch in Zukunft ein sehr starkes Team bilden. Die drei grossen Teams waren da und haben hart gekämpft. Ein Match, das unvergessen bleibt, ist dasjenige zwischen Luna Rossa und BMW Oracle, das unabhängig vom Resultat wirklich zeigte, wie schwierig es ist, in Valencia zu regattieren."

Was ist schwieriger: herausfordern oder verteidigen?
"Es ist sehr viel schwieriger, zu verteidigen. Wenn man als Titelverteidiger den Match verliert, hat man gar nichts, sondern verliert alles."

Ist eine erfolgreiche Titelverteidigung reizvoller als die erfolgreiche Herausforderung?
"Für mich ist die Verteidigung des America's Cup hier in Europa klar befriedigender als der Sieg beim letzten Mal. Vielleicht, weil dieser Sieg jetzt noch ganz frisch ist, aber wohl auch, weil wir uns den Sieg dieses Mal viel härter erkämpfen mussten."

Wie unterscheidet sich der aktuelle Sieg vom Sieg von 2003?
"Der Sieg 2003 war wie ein Märchen, alles lief perfekt für uns; es gab noch nie einen derart lockeren und problemlosen Sieg eines Herausforderers im America's Cup. Ein Traum wurde wahr. Dieses Mal mussten wir uns den Sieg hart erkämpfen. Es war harte Arbeit und
forderte während der letzten Jahre vom ganzen Team vollen Einsatz und Konzentration."

Wie bewerten Sie Alinghis Leistung?
"Alinghis Leistung war beeindruckend, vor allem als das Team 1:2 im Rückstand lag. Wir vertrauten auf unsere Stärken und liessen uns nicht beirren. Ich bin überzeugt, dass wir das deutlich schnellste Boot hatten, der Unterschied war sogar grösser als viele glauben. Wir mussten aber den Rennkurs gut segeln und ein sehr hartnäckiges Emirates Team New Zealand besiegen."

Welches ist ihre schönste Erinnerung an diesen 32. America's Cup?
"Es ist wohl noch zu früh, das zu sagen, aber jedes Rennen des America's Cup war einzigartig. Vielleicht ist es der Moment nach dem dritten Rennen, als ich wusste, dass wir eine echte Chance hatten, zu gewinnen. Wir haben das Rennen zwar verloren, aber irgendwie fühlte ich mich danach stärker und wusste, dass wir den Cup erneut gewinnen würden."

Wodurch unterscheidet sich Alinghi von anderen Teams?
"Um das herauszufinden, muss man Alinghi selbst erlebt haben. Es ist ein Team mit einem sehr vielfältigen Charakter, es baut auf den verschiedenen Erfahrungen und Kompetenzen seiner Abteilungen, seiner Techniker, Ingenieure und Segler auf. Es ist eine Verschmelzung von Individuen, die sehr starke Wertvorstellungen haben und alle eine gemeinsame Leidenschaft für den Sport und eine Vision über die Zukunft dieses Sports teilen."

Wie werden die Formel 1 und der America’s Cup zusammenarbeiten, wenn Valencia wieder als Austragungsort gewählt wird?
"Die zwei Sportarten sind sich in gewisser Weise sehr ähnlich. Beide sind sehr technisch. Wir nutzen den Wind, sie brauchen für ihre Power Benzin, in diesem Bereich unterscheiden wir uns also. In beiden Sportarten ist der Erfolg ein Resultat aus der Verbindung der Expertise und Kompetenz einer ganzen Gruppe von Leuten und ich denke, es sind zwei Sportarten, die sehr gut zusammen passen."

Wie wird die Auswahl des Austragungsortes vor sich gehen?
"Das Auswahlprozedere hat bereits begonnen; wir prüfen unsere Optionen sorgfältig und werden uns für den Ort entscheiden, der uns für das nächste Mal den bestmöglichen Event garantieren kann."

Wie sieht die Zukunft von Alinghi aus?
"Ich denke, wir haben hervorragende Perspektiven. Wir haben den America's Cup gewonnen, wir können uns für das Team nichts Besseres wünschen. Das Team ist sehr kompakt und solid und wir haben eine Zukunft, das ist sicher."