Donnerstag, 22. Oktober 2009

BEI STROMBOLI KOCHTE DAS MITTELMEER

22.10.09 - Die Hochseesegler haben die letzte große Herausforderung der europäischen Saison 2009, das 30. Rolex Middle Sea Race, mit großen Hürden gemeistert. Bei unbeständigem Wetter mit stürmischen Winden erreichten nur 45 von 70 gestarteten Crews nach dem 606 Seemeilen langen Rundkurs das Ziel in Malta. Der 30-Meter-Supermaxi "ICAP Leopard" von Mike Slade aus Großbritannien war schnellste Yacht, verfehlte aber den Streckenrekord um eine gute halbe Stunde. Der Sieg nach berechneter Zeit ging an seinen Landsmann Andres Sorriano auf der 21 Meter langen "Alegre". Als einziges deutsches Schiff erreichte die "BOV Kerisma" des Hamburgers Sönke Stein das Ziel. In der Gesamtwertung blieb das 11,30-Meter-Boot als eines der kleinsten im Feld allerdings unter ferner liefen. Die Crews der Mehrrumpfboote "High Q1" (Hans Nagel/Hamburg) und "Silver Chiller" (Richard Müller/München) gaben auf, die "Dralion" (Pit Finis/Düsseldorf) hatte zurückgezogen.

Der Kurs von Valletta aus entgegen dem Uhrzeigersinn rund um Sizilien, vorbei am Vulkan Stromboli, wo es dieses Mal besonders hart zur Sache ging, zur Insel Lampedusa und von dort zurück nach Malta hatte es wieder in sich. Frontensysteme mit heftigen Windböen beutelten das Feld. Auf der US-amerikanischen Mini-Maxi "Rosebud" brach der Mast, andere erlitten Materialschäden wie zerrissene Segel. Erschöpft, aber zufrieden kam die deutsch-maltesische Crew der "BOV Kerisma" nach gut vier Tagen ins Ziel, die den Unbilden des Wetters getrotzt hatte. Auf der Ker 11.3 des südafrikanischen Designers Jason Ker gab es nach der Ankunft im Hafen erst einmal eine riesige Portion Burger. "Ein wahres Festessen, nachdem wir unterwegs fast ausschließlich von Müsli-Riegeln gelebt haben", freute sich Eigner Stein, für den das Rennen mit seinem Bruder Jan und sieben guten Freunden so etwas wie ein Heimspiel war, denn für ein paar Jahre hatte er auf Malta gelebt. Seit 2002 nimmt er mit dieser Crew a uf verschiedenen Schiffen am Rolex Middle Sea Race teil und durfte dabei schon zwei Klassen-Siege feiern.

Diesmal wurde er mit der eher für Kurzrennen an der Küste gebauten Yacht aber bis an die Grenze des Belastbaren geführt. "Das Wetter war sehr instabil und bot ständig unliebsame Überraschungen. Wir sind froh, dass wir ohne Bruch im Hafen angekommen sind", erklärte Stein. Nur auf dem ersten Schlag von Malta nach Sizilien unter Spinnaker herrschten noch "Kerisma-Bedingungen", danach musste die Crew in den Schwerwetterfronten einige Male die Köpfe einziehen und die Segel runternehmen. "Bei solchen Bedingungen hatten wir mit unserem 36-Fuß-Schiff natürlich keine Chance gegen die Konkurrenz." Zufrieden war der Skipper trotz Rang zehn in der Klasse drei dennoch: "Wir sind immer wieder gern dabei. Das Rennen wird immer populärer und die Konkurrenz immer hochkarätiger."

Auf der Jagd nach dem Titel als erstes Schiff im Ziel demonstrierte die "ICAP Leopard" einmal mehr ihre Ausnahmestellung in der internationalen Regattaszene. Wie schon beim Rolex Fastnet Race im August war sie schnellste Yacht, jedoch mit einer gesegelten Zeit von zwei Tagen, 29 Minuten und 33 Sekunden knapp 35 Minuten langsamer als die "Rambler" (USA) in 2007, die keine 48 Stunden gebraucht hatte. Die "Alegre", ein Mills-Design, kreuzte sechseinhalb Stunden nach der "ICAP Leopard" die Ziellinie vor dem königlich-maltesischen Yachtclub (RMYC), lag damit berechnet aber deutlich vor der neun Meter längeren Konkurrentin und hatte auch so prominente Yachten wie die "Beau Geste" (Hongkong), "Luna Rossa" (Italien) und "Rán" (Großbritannien) auf die Plätze zwei bis vier verwiesen.

Nach der Ankunft an Land suchte Mike Slade nicht nach Ausflüchten, warum es nicht zur Rekordfahrt gereicht hätte. Er befand, dass die Crew alles getan hatte, was sie konnte, und daher sparte der "Leopard"-Eigner auch nicht mit Lob: "Es ist fantastisch, dieses harte Rennen beendet zu haben. Der Rekord war aufreizend nah, aber das wichtigste ist, dass wir als erste Yacht angekommen sind und das Schiff als Ganzes nach Hause gebracht haben. Die Crew war fantastisch und unser Empfang in Malta wunderbar - was für ein großartiger Event."

Auch wenn das Potenzial des Schiffes voll zur Entfaltung kommt und kein Schaden auftritt, hängt der Erfolg eben immer noch vom Wetter ab. Die 606 Seemeilen des Rolex Middle Sea Race in rund zwei Tagen zu beenden, ist nur möglich mit einem Schwenkkiel und Wasserballast sowie einer Crew, die mit den besten See-Segelexperten besetzt ist. Auf der "Leopard" waren mit Brad Jackson, Jules und Guy Salter drei aus dem aktuellen Siegerteam des Volvo Ocean Race (VOR). Rob Greenhalgh segelte auf dem zweitplatzierten Schiff, während Justin Slattery beim vorigen VOR auf der Siegeryacht an Bord war. Zudem hat Jason Carrington schon viele Siegeryachten gebaut. Segelmacher Jeremy Elliott ist ein weiterer Weltumsegler und America's-Cup-Akteur. Hugh Agnew navigierte die Siegeryacht beim Rolex Sydney Hobart Race 2004, und nicht zuletzt Mike Slade selbst hat seit den frühen 1990er Jahren Teams um sich herum geformt, die auf höchstem Grand-Prix-Level und mit modernsten Maxiyachten Rennen gesegelt sind, ausnahmslos geführt durch die ruhige Hand von Chris Sherlock. Erfahrung und Können gab es in Fülle auf der "Leopard", was die Yacht von der Rekordfahrt abgehalten hat, war die Laune des Windes.

Slade erklärte, wie sich das Rennen entwickelte: "Es gibt eine Menge Tücken auf dem Kurs. Er verläuft die ganze Zeit in Landnähe und hat die entsprechenden, leidvollen Einflüsse. Es gibt den Spruch, dass der Ätna den Wind ansaugt in der Straße von Messina. Und das hat sich für uns bewahrheitet. Wir saßen fest in seinem Schatten und haben uns bis zum Stromboli durchgeschlagen, und dort fingen die Probleme erst richtig an." Tatsächlich mussten hier neben zwanzig anderen Yachten die beiden US-amerikanischen Mini-Maxis "Rosebud" und "Bella Mente" das Rennen aufgeben, als ein stürmischer, böiger Wind anderthalb Tage um die nordöstliche Ecke von Sizilien peitschte.

"Nach Stromboli wurde es hart", berichtete Slade. "Fünf oder sechs Stunden lang zogen Wetterfronten über uns hinweg. Aber wir haben ein starkes Boot und können damit umgehen. Tatsächlich hätten wir uns mehr dieser Bedingungen gewünscht." Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Rund um Lampedusa blieb der Wind aus. Die "Leopard" mag eine starke Brise von über 20 Knoten, aber es wehte nur mit 12 bis 18 Knoten auf dem Weg zurück nach Malta. "Es war ein zähes Ringen, um in den Hafen zu kommen", sagte Slade. "Der Wind von hinten war komplett eingeschlafen." Am Ende stellte Slade angesichts der verpassten Rekordzeit fest: "Das ist eben Segeln, wir müssen es erneut versuchen."

Geradezu euphorische Stimmung herrschte dagegen nach dem Zieldurchgang auf der "Alegre". Andres Soriano war überwältigt von den Emotionen, als er sich des Sieges über alles nach berechneter Zeit bewusst wurde: "Es ist ein großartiges Gefühl. Als wir die Ziellinie nach diesem großartigen Wettkampf kreuzten, hatte ich Tränen in den Augen, während ich der Crew gedankt habe. Die Nachricht, dass wir gewonnen haben, war einfach überwältigend. Es ist eine Bestätigung für alle, die daran beteiligt waren - die Crew auf dem Boot und diejenigen, die an Land und in der Vorbereitung geholfen haben."

Als erfahrener Hochsee-Segler war sich Soriano auch bewusst, dass der Wind auf seiner Seite war. Das Frontensystem, das über den Kurs hinweg gezogen ist, brachte zwei Drittel des Feldes aus dem Gleichgewicht. Aber die "Alegre" hatte die Bedingungen besser gemeistert als die hochkarätig besetzten "Luna Rossa" mit dem mehrmaligen Olympiamedaillen-Gewinnern Robert Scheidt und Torben Grael sowie Karl Kwoks "Beau Geste" und Niklas Zennströms "Rán", der Siegerin über alles beim Rolex Fastnet Race. So ging dann auch ein großes Lob von Steuermann Scheidt an die Adresse der "Alegre": "Sie haben einen großartigen Job gemacht und das Boot sehr gut gepusht. Sie haben das Material im Sturm geschont, und wenn sie Entscheidungen zu treffen hatten, dann trafen sie die richtigen." Für Soriano erfüllte sich nach dem Sieg nach gesegelter Zeit im vergangenen Jahr nun ein Traum, denn dieser Sieg ist noch um einiges süßer, schließlich zählt er über alles.

Mit dem Abschluss des Rolex Middle Sea Race sind die Langstreckenrennen in Europa für diese Saison beendet und die Eigner können nun ihre Yachten Richtung Australien verschiffen, wo am 2. Weihnachtstag mit dem Rolex Sydney Hobart Race der letzte Höhepunkt des Jahres 2009 und der erste für die kommende Saison gestartet wird.