Montag, 22. Juni 2009

Herrmann und Oehme mit der „Beluga Racer“ am Traumziel

22.06.09 - PORTIMÃO. Boris Herrmann und Felix Oehme haben das Portimão Global Ocean Race gewonnen. Am Sonntagvormittag (21. Juni) kamen die Weltumsegler aus Kiel und Hamburg mit ihrer Yacht „Beluga Racer“ im portugiesischen Zielhafen Portimão an. Auf drei von fünf Etappen siegten die neuen Shootingstars des Segelsports und verwiesen die Chilenen Felipe Cubillos/José Muñoz an Bord der „Desafio de Cabo Hornos“ auf Platz zwei. Es ist der erste Triumph einer deutschen Hochseeyacht seit dem Sieg der „illbruck“ beim Volvo Ocean Race 2002, die allerdings mit zwölf Mann unterwegs war. Zu zweit hat das noch niemand vor ihnen geschafft.

Es schien, als wollte die Mannschaft die letzten Meter noch einmal in vollen Zügen genießen. Bei flauen Winden vor der Algarve näherte sich die marineblaue „Beluga Racer“ beim Sonnenaufgang der Ziellinie wie in Zeitlupe. An Bord zwei sympathische Profis, voller Vorfreude auf das, wofür sie 25.890 Seemeilen, also fast 48.000 Kilometer, zusammen gekämpft und auch gelitten hatten: Der Gesamtsieg in einer der härtesten Segelregatten rund um den Globus. Es war die erste überhaupt auf nur zwölf Meter langen Booten vom Typ Class40.

Um Punkt 10.04 Uhr und 42 Sekunden deutscher Zeit war es endlich so weit und Skipper Boris Herrmann mit seinem Co-Piloten Felix Oehme am Ziel ihrer kühnsten Träume angekommen. „Wir sind unbeschreiblich glücklich, diesen Erfolg gemeinsam feiern zu dürfen, und vom rauschenden Empfang hier in Portimão völlig überwältigt“, so das Duo, als es längst mit Schampus geduscht war und der Gratulationscour nicht enden wollte. In der ersten Reihe dabei die unterlegenen Südamerikaner, während der achtmonatigen Regatta längst zu Freunden fürs Leben geworden. „Es war ein wundervolles Jahr mit den fairsten Gegnern, die wir uns vorstellen konnten“, lobte Felipe Cubillos. In der Endabrechnung stehen 4,5 Punkte Vorsprung, aber wie ausgeglichen der Zweikampf wirklich war, zeigt eine andere Zahl. Nach insgesamt 145 Tagen auf See waren die Deutschen unterm Strich knapp zweieinhalb Stunden schneller unterwegs. Und die Chilenen packten nach typischem Seglerbrauch auch gleich kräftig zu: Sie beförderten die Sieger in voller Montur ins Hafenbecken!

Herrmann und Oehme hatten ihren härtesten Widersachern gleich zu Beginn des Portimão Global Ocean Race den Schneid abgekauft. Das Beluga Offshore Sailing Team gewann die ersten beiden Etappen von Portugal nach Kapstadt in Südafrika und Wellington/Neuseeland samt der beiden Wertungstore unterwegs. Doch ein vorzeitiger Gesamtsieg wurde auf dem dritten Teilstück vertagt, als Cubillos und Muñoz die Norddeutschen kurz vor dem Ziel im brasilianischen Ilhabela noch abfingen, nachdem sie am legendären Kap Hoorn nahe ihrer Heimat schon einmal in Führung gelegen hatten.

Auf der vierten Etappe nach Charleston im US-Bundesstaat South Carolina dann wieder das gewohnte Bild: Platz eins für die „Beluga Racer“, wobei die „Desafio de Cabo Hornos“ durch einen Ruderbruch an mehr Gegenwehr gehindert wurde. So schien der Weg endgültig frei für den gerade 28-jährigen Boris Herrmann, der ursprünglich aus Oldenburg in Niedersachsen kommt, und den exakt einen Monat jüngeren, in Lübeck geborenen Felix Oehme. Aber wenige Tage nach dem Re-Start erwischte es auf dem Nordatlantik auch die Gesamtführenden. Weit oben im 19 Meter hohen Mast brach ein Beschlag. Den Sieg vor Augen und dann plötzlich das Aus?

„Die Geräusche waren schon furchterregend“, erinnert sich der Skipper, „wir hatten Angst, der Mast würde brechen.“ Die Crew reagierte schnell, verkleinerte die Segelfläche und schonte das Rigg im weiteren Verlauf, um am Ende nicht doch noch um Lohn der harten Arbeit gebracht zu werden. Schwere Stürme haben sie abgeritten und zermürbende Flauten erlebt. Viele Höhepunkte durften sie feiern, wenige Rückschläge haben sie trotzdem weggesteckt. Bei Segelmanövern funktionierten Herrmann und Oehme wie ein Schweizer Uhrwerk.

Aber das macht noch keine Sieger aus. Die psychische Belastung gilt als besondere Herausforderung. Wochenlang auf engstem Raum unter Deck sich nicht aus dem Weg gehen können hätte wohl so manches Ehepaar vor den Scheidungsrichter getrieben. Aber die Ein-Zimmer-Männer-WG harmonierte menschlich wie ein Streicher-Duett. „Sicher waren wir auch mal unterschiedlicher Meinung“, gibt Felix Oehme unumwunden zu, „aber Streit ist nicht nur auf hoher See der schlechteste Konfliktberater.“

Zu den ersten Gratulanten gehörte Niels Stolberg, der geschäftsführende Gesellschafter des Hauptsponsors, der Projekt- und Schwergutreederei Beluga Shipping GmbH. „Als Sponsor sind sowohl ich persönlich als auch unsere gesamte Belegschaft hier in Bremen stolz und glücklich über diese sportliche Superleistung unseres Teams, das sich allen Herausforderungen dieses Rennens in geradezu vorbildlicher Weise gestellt hat“, sagte Stolberg, „ich gratuliere ich auch Felipe Cubillos und Jose Muñoz zu ihrer hervorragenden Leistung und ihrem wohlverdienten Etappensieg in Portimão.“

Skipper Boris Herrmann gibt seinen ehrlichen Dank zurück: „Oft denken wir an die vielen Menschen, die uns unterstützen. Das alles wäre natürlich ohne unseren phantastischen Sponsor Beluga Shipping und Niels Stolberg nicht möglich gewesen.“ Dabei hob er die Routenberatung durch den „Beluga“-Meteorologen Sven Taxwedel nochmals besonders hervor. „Außerdem haben uns zahlreiche Einzelpersonen und einige Firmen der Wassersportindustrie mit Knowhow und Material geholfen.“ Aber auch die Begeisterung an Land habe entscheidend zur Motivation beigetragen. „Die treuen Fans und Besucher der Website sowie begeisterte Journalisten haben in uns immer wieder die Inspiration gezündet und die Längen oder die harten Momente, die es bei so einem Marathon auf See natürlich auch gibt, sofort vergessen lassen“, beschreiben Herrmann und Oehme ihr Glücksgefühl. „Wir sind sehr stolz, mit diesem Rückenwind so weit gekommen zu sein, um die Welt und zum Sieg.“

Bis zur offiziellen Preisverteilung am kommenden Wochenende wird nun in Portugal ausgelassen gefeiert. Doch was kommt danach? Droht die Gefahr, in ein großes Loch zu fallen? „Auf gar keinen Fall“, ist Boris Herrmann sicher, „denn jedem Ende wohnt ein Anfang inne. Und nach dem Rennen ist vor dem Rennen.“ Die erfolgreiche Partnerschaft mit der Beluga Shipping GmbH wurde um ein weiteres Jahr verlängert. Im August tritt Herrmann mit einer internationalen Crew in England beim Rolex Fastnet Race auf einer anderen, neu gecharterten Class40-Yacht an. Ingenieur Felix Oehme beginnt im August seine Promotion bei „Airbus“, in der es unter anderem um Brennstoffzellen gehen wird.

Herrmann blickt auch in die langfristige Zukunft. „Ich hoffe und denke, mit diesem Erfolg meinem größten Ziel, einer Teilnahme an der Vendée Globe ein großes Stück näher gekommen zu.“ Dieses Rennen führt die Segler, die allein unterwegs sind, einmal nonstop um die Welt und gilt als härteste Herausforderung des Segelsports überhaupt. Die nächste Auflage startet im Oktober 2012. Seit Sonntag zweifelt wohl kaum noch jemand daran, dass der 28-jährige Kieler auch das schaffen kann.

Vorher wollen Boris Herrmann und Felix Oehme ihre „Beluga Racer“ jedoch „nach Hause“ bringen und mit der großen Fangemeinde live präsentieren. Geplant ist die Heimkehr für Mitte Juli in Hamburg.