Montag, 18. Mai 2009

Beluga-Crew nach Sieg im Freudentaumel

18.05.09 - CHARLESTON. Die Hochseesegler Boris Herrmann aus Kiel und der Hamburger Felix Oehme können den Sekt kaltstellen lassen. Mit ihrem Sieg auf der vierten und vorletzten Etappe ist dem Beluga Offshore Sailing Team Platz eins im Portimão Global Ocean Race praktisch nicht mehr zu nehmen. In der Nacht zu Sonntag (17. Mai) kreuzte die blau-weiße Class40-Yacht „Beluga Racer“ die Ziellinie vor Charleston/USA und hatte am Ende rund 150 Seemeilen Vorsprung vor den nächsten Verfolgern aus Chile. Allein eine völlig unwahrscheinliche Disqualifikation auf der finalen Etappe der Regatta rund um den Globus, die im Juni zurück zum Starthafen Portimão in Portugal führt, könnte den vorläufigen Höhepunkt in der steilen Sportlerkarriere der beiden 27-Jährigen noch gefährden, die nun ein beruhigendes Sieben-Punkte-Polster haben.

Die Sonne war bereits hinter dem Horizont der US-Küste von South Carolina verschwunden, als die „Beluga Racer“ nach einer mehrstündigen Flaute kurz vorm Ziel wieder Fahrt aufnahm und bei einer mäßigen Brise unaufhaltsam dem Etappensieg entgegen segelte. In der Heimat der beiden neuen Stars am deutschen Segelhimmel herrschte tiefschwarze Nacht. Exakt um 2:49 Uhr und 47 Sekunden war es dann soweit: Mit roten Leuchtfackeln in der Hand standen Boris Herrmann und Felix Oehme Arm in Arm im Cockpit und feierten den dritten von vier möglichen Teilerfolgen. Sowohl in Kapstadt/Südafrika als auch in Wellington/Neuseeland hatten sie den Bug vorne gehabt und waren nur in Ilhabela/Brasilien noch knapp abgefangen worden.

Einer Bier- folgte eine Champagnerdusche an Bord, als Freunde und Verwandte ihre Helden begrüßten. „Es ist einerseits schade, dass das Rennen jetzt quasi schon entschieden ist, aber wir sind natürlich auch heilfroh, dass eigentlich nichts mehr schiefgehen kann“, drückte Skipper Boris Herrmann im Freudentaumel auch gemischte Gefühle aus. „Sogar als den Chilenen im spannenden Zweikampf das Ruder gebrochen war, kämpften sie aufopferungsvoll weiter und erzielten teils höhere Geschwindigkeiten als wir. Das war großer Sportsgeist und Werbung für das Hochseesegeln auf diesen nur zwölf Meter langen Booten.“ Kritiker hatten es zunächst skeptisch gesehen, ob die Yachten für eine Regatta rund um die Welt geeignet seien, sind aber inzwischen längst verstummt.

Die ersten Gratulanten waren die geschlagenen Cubillos/Muñoz, die erst am späten Sonntagabend im Ziel erwartet wurden, per Satellitentelefon. Aber auch die Glückwünsche aus der Heimat ließen nicht lange auf sich warten. „Das ist eine großartige Leistung unseres Teams, die gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann“, sagte Niels Stolberg, „die Mannschaft hatte nach frühem Rückstand zu Beginn der Etappe die Nerven behalten und wurde am Ende für ein couragiertes Rennen belohnt.“ Der geschäftsführende Gesellschafter des Hauptsponsors, der Projekt- und Schwergutreederei Beluga Shipping GmbH mit Sitz in Bremen, verfolgte den Erfolgsweg der „Beluga Racer“ im Internet unter www.globalracetracker.com, wann immer es seine Zeit erlaubte, und zollte auch den Unterlegenen Respekt: „Die Chilenen haben unseren Jungs alles abverlangt und sich sogar nach dem Ruderbruch nie geschlagen gegeben. Das verdient ebenso Hochachtung.“

Herrmann und Oehme waren aber auch noch geschockt über einen weiteren Zwischenfall, der sich tags zuvor weiter hinten im Feld ereignet hatte. Der Belgier Michel Kleinjans auf der „Roaring Forty“ war am frühen Sonnabendmorgen östlich der Bahamas mit einem Containerschiff kollidiert. Dabei hatte der Solosegler Glück im Unglück, denn er blieb unverletzt und konnte die Regatta trotz schwerer Schäden an seinem Boot mit gebrochenem Bugspriet und einem Riss an der Deckskante ohne fremde Hilfe fortsetzen. Offenbar hatte er den Frachter gerammt und nicht umgekehrt. „Das ist nicht auszudenken, was da alles hätte passieren können“, so Herrmann, „das ist ja vergleichsweise glimpflich ausgegangen.“ Es zeige aber auch, dass erst auf der Ziellinie abgerechnet werde.

Bereits zwei Tage nach dem Start hatten die Briten Jeremy Salvesen und David Thomson auf der „Mowgli“ die ersten Materialprobleme. Ein Spinnaker hatte sich bei einem missglückten Manöver um das Vorstag und den Masttopp gewickelt. Das bekam die Crew nur entwirrt, indem sie in der Landabdeckung der brasilianischen Küste Schutz suchte und frühzeitig alle Chancen einbüßte, in den Zweikampf an der Spitze einzugreifen. Sie lagen am Sonntag noch rund zwei Tage vom Ziel entfernt.

Und dieses Duell hatte wieder einmal die Fans in Atem gehalten. Die Chilenen erwischten einen grandiosen Start und waren schnell einige Seemeilen davon gesegelt. Doch nach 220 Seemeilen zog die „Beluga Racer“ mit Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 24 Knoten (fast 45 km/h) nur 50 Meter vor dem Bug der feuerroten „Desafio de Cabo Hornos“ vorbei und baute den Vorsprung über ein Wertungstor bei Recife noch aus. „Wir haben einen neuen Sweetspot unseres Boots entdeckt“, erklärt Felix Oehme, „bei gutem halbem Wind aus 100 Grad zur Fahrtrichtung hatten wir immer Nachteile. Darauf hatten die Verfolger gesetzt.“

Doch die Rechnung ging nicht auf, weil die „Beluga“-Crew unter neuer Segelkonfiguration unter Gennaker mit einem Reff im Großsegel von einem Rekord zum nächsten jagte. Sie brauchte nur drei Wochen, neun Stunden, 49 Minuten und 47 Sekunden für die 4.770 Seemeilen lange Teilstrecke. Das waren 9,28 Seemeilen Durchschnittsgeschwindigkeit – so schnell wie selbst auf den Starkwindetappen durch das Südpolarmeer nicht. Auch vor dem Ruderbruch, als die „Desafio de Cabo Hornos“ auf ein unsichtbaren Gegenstand unter der Wasseroberfläche fuhr, hatten die Chilenen bereits kaum eine Chance, den „Beluga-Express“ ernsthaft zu attackieren.

„Ein Traum ist wahr geworden“, meinte Felix Oehme nach dem Zieldurchgang, „und wir sind überglücklich.“ Die Mannschaft hatte hart gekämpft und alles gegeben, vor allem Vollgas. „Sogar die Zahnbüste wurde nach Luv gestaut, um optimal zu trimmen“, so der Co-Skipper weiter. „Das ist ein sehr bewegender Moment für uns und das gesamte Team“, sagte Boris Herrmann, „aber wir bleiben ehrgeizig und wollen auch die letzte Etappe gewinnen. Als Erste in Portugal einzulaufen, würde diesen phantastischen Triumph perfekt machen.“ Der Start ist für den 31. Mai geplant; das Finale dürfte zirka drei Wochen dauern.