Mittwoch, 16. Juli 2008

Meeno Schrader berät deutsches Segelteam bei Olympia in Qingdao

16.07.08 - KIEL/QINGDAO. Die Wetterkapriolen auf dem olympischen Segelrevier vor Qingdao in China, das am Dienstag (15. Juli) wegen Nebels komplett gesperrt wurde, und der zu erwartende Flautenpoker während der Olympischen Spiele bereitet allen Beteiligten großes Kopfzerbrechen. Während die Regattaleitung um die Einhaltung des Zeitplans bemüht sein dürfte, fürchten die Teilnehmer irreguläre Bedingungen. Damit die deutsche Mannschaft jeden Wettfahrttag bestens beraten an den Start gehen kann, hat das pinta racing team den renommierten Kieler Diplom-Meteorologen Meeno Schrader von der Firma “Wetterwelt" verpflichtet. Er wird den Aktiven während der Spiele im August vor Ort mit einer detaillierten, maßgeschneiderten Analyse zur Seite stehen.

“Die Windverhältnisse vor der Küste Qingdaos sind im Hochsommer meist kritisch", so Schrader, “nach der Langzeitstatistik ist überwiegend eine schwache Brise zu erwarten." Für eine gewinnbringende Rennstrategie seien etliche lokale Phänomene zu beachten, die sich von Tag zu Tag ändern und auch je nach Regattabahn variieren. Mögliche Richtungsänderungen (Winddreher) und Druckunterschiede (Böen und Löcher) vorherzusehen, kann zum entscheidenden Erfolgsfaktor werden. Um optimale Voraussetzungen für seine Wetterberatung zu haben, ist Schrader derzeit beim letzten Training der Seglerinnen und Segler in der Hafenstadt dabei, um nach den PreOlympics 2007 noch mehr Daten und Erkenntnisse vor Ort zu sammeln. Er wolle das Revier aktuell “spüren".

Im voll klimatisierten Chill-out-Container, den das pinta racing team der deutschen Mannschaft ebenfalls zur Verfügung gestellt hat, wurde das tägliche Wetterbriefing bereits dankbar angenommen. “Bei Meeno Schrader merken wir sofort, dass er selbst Regattasegler ist und auf unsere individuellen Fragen leicht verständliche Antworten hat", sagt Marc Pickel (Kiel), der im Starboot mit Ingo Borkowski aus Babelsberg dabei ist. Für den Wetterfrosch sei es wichtig, dass “ich auch rüberkomme", denn was bringe es, einen meteorologischen Fachvortrag zu halten, den letztlich niemand verstehe.

Der weltweit gefragte Regattaberater, den auch die Teams von Israel, Singapur und Polen unter Vertrag haben, führte schon 2004/05 die Engländerin Ellen MacArthur bei ihrer Einhand-Rekordfahrt rund um die Welt. Qingdao ist für ihn jedoch auch eine große Herausforderung. “Eine exakte Prognose für diesen Ort ist viel schwieriger als für die Kieler Bucht", erklärt Meeno Schrader, “bei leichten Winden wirkt jede Abweichung doppelt schwer, und eine gute Prognose gelingt nicht immer. In Qingdao kommen alle Faktoren aus der Meteorologie zum Zuge, die irgendwie zur Windentstehung beitragen." Außerdem sei die Verlässlichkeit der zur Verfügung gestellten Messdaten unsicherer, unter anderem weil im Vorfeld der Olympischen Spiele drei von vier Wetterbojen dauernd außer Betrieb sind.

Aber mit seiner großen Erfahrung und den speziellen Rechenmodellen, die er bei der “WetterWelt³ etabliert hat, ist Schrader zuversichtlich, seine “Kunden" auf den richtigen Kurs leiten zu können ­ trotz diverser Unbekannten. Was nämlich passiert, wenn tatsächlich wie angekündigt die meisten Fabriken der Region mit ihren Schloten zu Olympia abgestellt werden, vermag niemand zu ahnen. Derzeit heißt die typische Großwettlage nämlich noch Smog. Schrader: “Eine stabile Inversion, das heißt kalte Luft am Boden und warme in der Höhe, verhindert ständig, dass durchaus vorhandene Luftdruckgegensätze sich als Wind am Boden typischerweise durchsetzen." Ein bisher nie da gewesenes, plötzlich “sauberes Qingdao" könnte für die eine oder andere Überraschung auf dem Wasser sorgen.

So wie zuletzt eine ungewöhnlich starke Algenpest, die weite Teile in der Bucht lahm legte und manches Training buchstäblich so eng umschlang, dass sich kein Boot mehr bewegte. Oder Nebelbänke mit einer Sichtweite von unter 20 Metern, aus denen die Crews nur mit Hilfe der Satellitennavigationsgeräte ihrer Trainer zurück an Land fanden. Oder Strömungswechsel, die bei wenig Wind zum rückwärts treiben führen können, oder kaltes Wasser herbeiführen, das gut und gerne einen 30-Grad-Dreher verursachen kann.

Auch solche Ausreißer will der Diplom-Meteorologe berücksichtigen ­ soweit dazu überhaupt klare Aussagen getroffen und hilfreiche Informationen mitgeteilt werden können. “Und wer ohnehin nur wissen möchte, ob er nach dem Start nach links oder nach rechts raus fahren soll, wird auch nicht mit der Komplexität überfrachtet", verspricht Schrader eine individuelle Betreuung der Mannschaften. Vor dem Auslaufen jedes Wettfahrttags ist sein Job dann getan, denn eine Beratung von außen darf danach nicht mehr erfolgen. Auf der Regattabahn sind die Sportler ganz auf sich alleine gestellt.

“Bei unserem Sieg im Volvo Ocean Race 2001­2002 haben wir erfahren, wie wichtig ein professionelles Wetterrouting ist", erinnert der Münchner Michael Illbruck an einen der größten Erfolge für den deutschen Segelsport, “das gehört zu optimalen Rahmenbedingungen unbedingt dazu." Und davon solle nicht nur das eigene pinta racing team profitieren, sondern alle deutschen Aktiven in Qingdao. Illbruck: “Ich wünsche unseren Seglerinnen und Seglern schon jetzt viel Erfolg beim vorläufigen Höhepunkt ihrer Sportlerkarrieren!"

Das pinta racing team wird von der pinta elements GmbH des Münchener Unternehmers Michael Illbruck unterstützt. Sie fördert die beiden Mannschaften Steffi Rothweiler/Vivien Kussatz im 470er und Marc Aurel Pickel/Ingo Borkowski im Starboot auf dem Weg zu den Segelwettbewerben der Sommerspiele 2008. Deren Ziel ist der Gewinn einer Medaille in China.