Der Traum der deutschen Tornado-Crew Johannes Polgar/Florian Spalteholz von der zweiten deutschen Medaille platzte im Finale, als ihr Katamaran - in aussichtsreicher Position drei liegend - mit einem umher treibenden Holzbalken kollidierte. Dabei brach das Leeruder und ließ das Boot bei hoher Geschwindigkeit außer Kontrolle geraten. Polgar/Spalteholz kenterten, wurden beide aus dem Boot geschleudert und konnten die Wettfahrt nicht beenden.
„So ein Brocken ist hart zu schlucken, wir sind ganz schön traurig und auch wütend. Wenn da nichts ist, was du selbst falsch gemacht hast, sondern dir das Schicksal einfach so einen Schock beschert, dann ist das richtig bitter. Da hast du in einer Sekunde die Medaille vor Augen und schwimmst in der nächsten deinem Boot hinterher und stellst dabei vielleicht einen neuen 100-Meter-Weltrekord auf“, haderte der 30 Jahre alte Steuermann in Qingdao mit dem Unglück. Ein Jury-Boot musste die beiden Segler aus Dänisch-Nienhof und Kiel auffischen und zu ihrem im Gelben Meer davon brausendem Tornado bringen.
Schlimmer noch als die Kenterung aber wog die Erkenntnis, was hätte werden können, wenn sie nicht geschehen wäre. „Zu dem Zeitpunkt der Kollision lagen wir tatsächlich auf dem Bronzeplatz, denn die vor dem Rennen drittplatzierten Argentinier waren ein paar Plätze hinter uns. Das hätte womöglich gereicht...“ Trainer Rigo de Nijs brachte das Segeldrama auf den Punkt: „Das muss ein schlechter Witz von Gott gewesen sein.“
Erst am Abend konnten der 30-jährige Steuermann und sein 31-jähriger Vorschoter vom Norddeutschen Regatta Verein wieder lächeln. Die deutsche Segelmannschaft traf sich zum gemeinsamen Abschiedsessen und Polgar sagte: „Die Unterstützung vom Team tut uns gut. Wir hatten hier in den vergangenen Wochen eine wirklich gute Stimmung im Team.“ Polgar konnte auch schon wieder scherzen: „Bislang war Holz mein liebstes Baumaterial, aber ich überlege jetzt doch noch einmal, ob ich mir nicht lieber ein Haus aus Marmor bauen soll...“
Während Großbritanniens Segelteam nach fünf Medaillen in Athen auch in China erneut nahezu fehlerlos lief und in der Fushan Bucht sechs Medaillen in insgesamt elf Disziplinen produzierte, müssen die deutschen Segler mit einer Bronzemedaille durch die 49er-Segler Jan-Peter und Hannes Peckolt (Hamburg/Kiel) zufrieden sein. Das vor zwei Jahren etablierte Standortkonzept mit Leistungszentren in Kiel und Warnemünde bewertet der scheidende DSV-Sportdirektor Sendes trotzdem als Gewinn für die Zukunft: „Wir müssen die Kräfte bündeln. Kanuten oder Fechter machen uns das doch seit 20, 30 Jahren erfolgreich vor. Die Erfolge dieses Konzepts kommen aber nicht über Nacht.“
Im Medaillenspiegel der Segler triumphierte erwartungsgemäß Großbritannien mit vier Gold-, einer Silber- und einer Bronzemedaille vor Australien mit zweimal Gold und einmal Silber. Spanien segelte mit Gold und Silber auf Platz drei. Deutschland belegt unter 400 Seglerinnen und Seglern aus 62 Nationen Platz 14.
Großbritannien operiert mit einem Jahresbudget von 3,72 Millionen Euro, die Staat und Sponsoren in ihr Erfolgsteam stecken. Dem Deutschen Segler-Verband steht weniger als ein Drittel davon zur Verfügung. „Aber Geld ist nicht alles“, sagt sogar der dreimalige Olympiasieger Ben Ainslie, „ich glaube auch daran, dass Erfolg immer neuen Erfolg produziert“. Demnach werden die Briten in vier Jahren bei den Olympischen Spielen erneut als Favoriten starten.
Allen voran Überflieger Ainslie. Der erfolgreichste Segler der XXIX. Olympischen Spiele hat nach seinem dritten Olympiasieg neben Segelikone Jochen Schümann und dem Russen Valentin Mankin auf Platz zwei der ewigen Bestenliste olympischer Segler Platz genommen und kann in vier Jahren im Heimatrevier vor Weymouth den Rekord des legendären Paul Elvström (4 x Gold) attackieren. Jochen Schümann gratulierte Ainslie aus der Ferne: „Es ist fantastisch, wie der Junge regelmäßig seine Big Points macht. Als Goldjunge ist er der Beste – mehr geht 2008 nicht.“
Das vierte Gold bescherten die Starbootsegler Ian Percy und Andrew Simpson den Briten. Der Olympiasieger von 2000 aus Southampton und sein Vorschoter verwiesen die als Spitzenreiter in das Medaillenfinale der Starbootklasse gestarteten Schweden Fredrik Loof und Anders Eckström sogar noch auf den Bronzeplatz. Dazwischen schob sich Brasiliens routinierter Steuermann Robert Scheidt und erweiterte seinen Medaillensatz von zwei Gold- und einer Silber- um eine weitere Bronzemedaille. Die deutsche Mannschaft Marc Pickel/Ingo Borkowski (Kiel/Babelsberg) war bei stürmischen Winden und strömendem Regen zwar ohne Medaillenhoffnung in das Finale gestartet, konnte sich aber mit Rang vier noch auf Platz sieben im Abschlussklassement verbessern. Der aktuelle Ergebnisdienst unter www.sailing.org/olympics
Deutsche Segler zurück aus Qingdao!
Am kommenden Montag fliegen die Peckolt-Brüder zurück in ihre Heimat. Wenn alles nach Plan läuft, landen die Bronzemedaillengewinner zusammen mit den Tornado-Seglern Johannes Polgar und Florian Spalteholz sowie DSV-Sportdirektor Hans Sendes und Bundestrainer Thomas Piesker am Montag, 25. August, in Hamburg. Voraussichtliche Ankunftszeit: 20:10 Uhr mit Lufthansa-Flug LH 0058 aus München. DSV-Präsident Rolf Bähr und DSV-Generalsekretär Gerhard Philipp Süß werden die Segler am Hamburger Flughafen persönlich begrüßen. Medienvertreter sind herzlich willkommen.Eine offizielle Pressekonferenz ist aber nicht geplant.