18.08.08 - Hannes Peckolt: „Einer der schönsten Tage meines Lebens!“ - DSV (17. August 2008) – Jan-Peter und Hannes Peckolt haben der deutschen Segelflotte in der Fushan Bucht vor Qingdao die erste Olympiamedaille seit acht Jahren beschert. Dabei mussten die Brüder fast fünf Stunden warten, bis ihr Glück sicher war. Weiterhin ungewiss dagegen ist das Schicksal der möglichen Olympiasieger Jonas Warrer und Martin Ibsen, die nach Mastbruch auf ihrem 49er noch vor dem Start in einer Blitzaktion ein kroatisches Boot ausliehen und zumindest auf dem Wasser Platz eins verteidigten. Die Internationale Jury der olympischen Regatta hat die laufende Protestverhandlung nach Mitternacht abgebrochen und auf Montag vertagt. Damit bleibt die Vergabe aller drei Medaillen zunächst ungewiss, die Peckolts könnten im Fall einer Disqualifikation der Dänen Silber bekommen.
Pit und Hannes Peckolt genossen am Abend trotzdem ihr Olympiaglück: Erst Stunden nach ihrem denkwürdigen und von Kenterungen geprägten Medaillenfinale, der anschließenden Protestlawine an Land und einer Doping-Kontrolle durften die deutsche 49erCrew endlich über Bronze jubeln. Damit haben der Steuermann aus Hamburg und sein Vorschoter aus Kiel der deutschen Segelflotte das erste Edelmetall seit den Olympischen Spielen von Sydney 2000 beschert. Damals gewannen die Soling-Mannschaft von Jochen Schümann mit Ingo Borkowski und Gunnar Bahr sowie Surferin Amelie Lux Silber, die Tornadosegler Roland Gäbler und René Schwall Bronze.
„Das war einer der schönsten Tag in unserem Leben“, sagte Hannes Peckolt, „aber die Anspannung ist noch nicht ganz abgefallen. Es war heute nicht nur alles schön da draußen, es war kein Zuckerschlecken.“ Der 25-jährige Medizinstudent spielte auf das atemberaubende Medaillenrennen direkt vor dem Olympiahafen an, in dem fast alle zehn Teilnehmer bei stürmischen Winden um 25 bis 30 Knoten und hohem Wellengang mindestens einmal kenterten. Das Feld zog sich bei diesiger Sicht so weit auseinander, dass die Crews manchmal nicht einen einzigen Gegner sehen konnten.
„Wir wussten im Ziel nicht, welchen Platz wir belegt haben und wie die anderen durchgekommen sind“, sagte Hannes Peckolt, „aber sicher ist: wer heute am wenigsten gekentert ist, der lag am Ende vorne.“ Die spektakuläre Kenter-Wettfahrt hatte in ihrem 30-minütigen Verlauf auch an den Nerven der Zuschauer an Land und vor den Fernsehbildschirmen gezerrt. Teamchef Hans Sendes sagte: „Ich habe mich richtig erschrocken, als ich meine zitternden Finger sah.“ Die schnellen Brüder erreichten nach großem Kampf mit der Konkurrenz und den Elementen die Ziellinie nach nur einer Kenterung als zweite und sicherten sich damit Platz drei im Abschlussklassement.
Vorausgegangen war dem Finalrennen der unglückliche Mastbruch der dänischen Spitzenreiter Jonas Warrer und Martin Ibsen auf dem Weg zur Bahn Alpha, die direkt vor der lang gezogenen Mole des Olympiahafens lag. Nur 100 Meter von der Hafeneinfahrt entfernt ließ der Mast die Spitzenreiter im Stich. Das Duo lieh sich deshalb in einem Blitzmanöver einen kroatischen 49er aus, startete mit zweieinhalb Minuten Verspätung in das bereits laufende Rennen und erkämpfte sich noch Rang sieben. Der reichte laut vorläufiger Ergebnislisten zum Olympiasieg. Dagegen allerdings protestierte unter anderen die Wettfahrtleitung. Die Entscheidung der Internationalen Jury wurde jedoch nach stundenlanger Verhandlung nach Mitternacht Ortszeit in Qingdao auf Montag vertagt.
Jubel bei den Eltern der Peckolts in Mannheim und den Freunden und Freundinnen in Hamburg und Kiel. „Als wir mit unseren Eltern telefoniert haben, war so einiges im Hintergrund zu hören“, berichtete Hannes Peckolt leise lächelnd. Gemeinsam mit dem großen Bruder freut sich Hannes nun auf einige Tage in Peking. „Es war schön hier in Qingdao, man hat uns viel geboten. Aber etwas fehlte doch: Andere Sportarten und etwas mehr olympische Athmosphäre.“ Als Medaillengewinner dürfen die Peckolts auch in Peking im olympischen Dorf wohnen.
Während bei den 49ern die Wellen hoch schlugen, feierten die Briten am Sonntag ihren ersten Doppeltriumph: Finn Dinghy-Steuermann Ben Ainslie hatte am Nachmittag souverän sein drittes Olympiagold nach 2000 und 2004 ersegelt und nimmt damit auf der ewigen Bestenliste olympischer Segler neben Segelikone Jochen Schümann und dem Russen Valentin Mankin auf Rang zwei Platz. Alle drei Ausnahmesegler haben neben ihren jeweils drei Goldmedaillen auch noch eine Silbermedaille gewonnen. In vier Jahren kann Ainslie im Heimatrevier vor Weymouth nun den Rekord des legendären Paul Elvström (4 x Gold) attackieren. Ainslies Teamkameradin Sarah Ayton und ihre Yngling-Crew sicherten bereits am frühen Nachmittag Gold Nummer zwei für Großbritannien.
Gleichzeitig verabschiedeten sich Ulrike Schümann und ihre Yngling-Crew mit Rang zwei im Finale als Gesamt-Vierte würdig von ihrer Olympiapremiere. Die Berliner Steuerfrau sagte: „Ich bin heute nach unserer Achterbahnfahrt der Gefühle einfach nur glücklich und ziehe positiv Bilanz. Ich hätte vorher nie gedacht, dass Olympische Spiele wie ein Pokalspiel ihre ganz eigenen Gesetze haben. Da ist man plötzlich doch nicht mehr man selbst. Ich gehe mit einem weinenden und einem lachenden Auge, aber stolz sind wir schon.“ Teamchef Hans Sendes freute sich mit den Seglerinnen, die endlich wieder lachen konnten, und sagte: „Eigentlich haben Ulli und ihre Crew mit ihrem vierten Platz schon dafür gesorgt, dass wir unser Minimalziel erreichen und ein besseres Ergebnis als in Athen erzielen. Wie schön, dass die Peckolts heute noch eine Medaille dazu gewonnen haben.“
Im Schatten der Medaillenentscheidungen konnten sich bei stürmischem Wetter die Tornadosegler Johannes Polgar (Dänisch-Nienhof) und Florian Spalteholz (Kiel) am Sonntag mit Rang fünf in ihrer vierten Wettfahrt auf Platz neun verbessern. Gleichzeitig ersegelten Marc Pickel (Kiel) und Ingo Borkowski (Babelsberg) nach Bereinigung ihres Frühstarts und gelungener Aufholjagd in Rennen vier noch Rang acht in der Starbootflotte und blieben als Gesamt-Vierte in Medaillenreichweite. Laser Radial-Steuerfrau Petra Niemann (Berlin) arbeitete sich mit einem siebten Rang in der sechsten Wettfahrt auf Platz 18 vor.
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