06.05.10 - Frau Schümanns Gespür für Wind oder warum die Disziplin Matchrace kluge und kühle Köpfe fasziniert.
Langenargen - Die Segeldisziplin Matchrace ist gerade erst neu ins olympische Programm gestürmt. In zwei Jahren werden sich die weltbesten Frauen-Teams im Olympiarevier vor Weymouth erstmals auf dem Wasser duellieren und ihre telegene Sportart einem weltweiten Publikum präsentieren. Neu aber ist der Zweikampf auf Booten nicht. Berühmt wurde er durch den America’s Cup, der zwar bei seiner Premiere 1851 noch als Fleetrace, bei allen Folgeauflagen seit 1870 aber in Duellform Boot gegen Boot ausgetragen wurde. Längst hat dieser Sport für kluge und kühle Köpfe, den die Segler selbst oft als „dreidimensionale Mischung aus Schach und Boxen auf dem Wasser“ beschreiben, eine eigene Profiserie: die World Match Racing Tour. Einziger deutscher Grand Prix ist das Match Race Germany, das in diesem Jahr vom 19. bis zum 24. Mai traditionell vor Langenargen auf dem Bodensee ausgetragen wird.
Kaum irgendwo auf der Welt wird Matchracing dem Publikum so hautnah serviert wie in Baden-Württemberg, wo die Segelmatadoren in ihrer „Wasserarena“ direkt vor dem Ufer agieren. Hier können Kenner, aber auch Nichtsegler diese ganz besondere Segelsportdisziplin zum Greifen nah erleben und verstehen. Versehen mit dem Live-Kommentar von ZDF-Reporter Nils Kaben oder dank Live-Übertragung samt Kommentierung via Internet mit Unterstützung durch Alcatel-Lucent werden die Manöver, Tricks und Finten der Stars transparent und nachvollziehbar.
Doppel-Matchrace-Weltmeister Ian Willimas aus England, dem noch immer der deutsche Titel in seiner Trophäensammlung fehlt, erklärt seine Leidenschaft für die heißen Duelle im kalten Nass: „Matchracing ist eine tolle Disziplin. Es ist sicher wichtig, einiges an psychologischer Stärke mitzubringen, denn es gibt nur Sieg oder Niederlage, nichts dazwischen. Das kann sehr brutal sein. Du stehst permanent unter Druck, musst ständig gegen das Ausscheiden kämpfen. Es gibt keine Chance auf Entspannung.“ Wie Williams klingen viele der Besten ihrer Zunft, die dem Matchracing verfallen sind. Auch der junge Däne Mats Ebler, der in Langenargen zum Angriff auf die Weltspitze bläst: „Matchracing fasziniert mich aufgrund der Intensität und der mentalen Herausforderung. Matchracing erfordert herausragendes Teamwork, ein gutes Bootshandling und schnelles Denken. Du musst unter Druck cool bleiben können.“
In einem Matchrace-Duell geht es nicht um die gesegelte Zeit, sondern ausschließlich darum, die Ziellinie nach Absolvierung des vorgegebenen Kurses vor dem Gegner als erster zu kreuzen. Das lässt sich durch bessere Positionierung in der Vorstart-, Start und Rennphase, durch schnelleres Segeln, durch den besseren Riecher für den Wind, aber auch dadurch erreichen, den Gegner zu einem Fehler zu nötigen. Schiedsrichter auf dem Wasser ahnden solche Fehler direkt mit der Vergabe von sogenannten Penaltys, die einen oftmals Match entscheidenden Strafkringel der betreffenden Crew nach sich ziehen. Besonders spannend ist die Vorstartphase – die einem Verdrängungswettbewerb gleich kommt. Beide Teams müssen blitzschnell agieren und reagieren.
Unter den weltbesten Profis gibt es verschiedene Matchrace-Typen: Jene, die wie beispielsweise der deutsche America’s Cup-Sieger Jochen Schümann eher auf perfekte Positionierung und Speed setzen, aber auch solche wie den dreimalige Matchrace-Weltmeister Peter Gilmour oder America’s Cup-Sieger James Spithill, die als furiose Angreifer bekannt sind.
Ulrike Schümann, die als Taktikerin der Deutschen Matchrace Meisterin Kathrin Kadelbach an den Bodensee kommt, dürfte irgendwo zwischen beiden Extremen einzuordnen sein. „Wir sind sicher weniger aggressiv als manche Männder“, sagt die 36 Jahre alte Berlinerin. Die Vierte der Olympischen Spiele 2010 hat eine intensive eineinhalbjährige Matchrace-Kampagne hinter sich, trainierte mit einigen der besten Coaches der Welt. „Das kämpferische Matchrace-Element passt aber prinzipiell gut zu mir“, sagt die zweimalige Vizeweltmeisterin, „man muss nur damit leben können, dass es immer nur einen Sieger gibt. Zweiter ist schon letzter. Eine Fleetrace-Serie kann man mit lauter fünften Plätzen auch gewinnen.“
Ganz oder gar nicht. Alles oder nichts. Im America’s Cup beschreiben sie die Matchrace-Seele des so: There is no second - es gibt keinen Zweiten. Darauf haben sich die beiden deutschen Seglerinnen, die sich für das Match Race Germany und dessen Boote vom Typ Bavaria 35 Match drei männliche Crew-Mitgliedern zur Verstärkung an Bord geholt haben, bereits eingestellt. Die gemeinsame Olympiakampagne haben Ulrike Schümann und ihre Clubkameradin vom Verein Seglerhaus am Wannsee Kathrin Kadelbach zwar im April vorzeitig beendet, weil sie innerhalb der komplizierten internationalen Rahmenbedingungen für sich keine Chance sahen, den Anschluss an die Weltspitze schnell genug herzustellen. Doch im Match Race Germany werden Steuerfrau Kadelbach und Taktikerin Schümann gefährliche Außenseiterinnen sein.
„Uns fehlt zwar die Erfahrung auf großen Booten, aber insbesondere bei leichten Winden dürften wir als Frauen sonst kaum Nachteile gegen die männlichen Crews haben“, sagt Schümann, „natürlich haben die Profis uns in Sachen Matchrace-Erfahrung einiges voraus, aber ein bisschen was können wir schon.“ Ihre bescheidene Kampfansage ist ernst zu nehmen. Auch vor dem Hintergrund ihrer olympischen Erfahrung. Frau Schümanns gutes Gefühl für den besten Wind ist legendär. Und Kathrin Kadelbach hat bei mehreren deutschen Matchrace-Serien bewiesen, dass sie einige sehr überzeugende Matchrace-Tricks beherrscht und ihre Asse in entscheidenden Momenten auch aus dem Ärmel ziehen kann. Die Personalmanagerin Schümann und die Medienstudentin Kadelbach könnten sich Seite an Seite mit ihren drei Mitseglern durchaus als Favoritenschreck erweisen. Sie sind die erste Frauen-Crew, die in 13 Jahren Match Race Germany den Sprung ins erlesene Teilnehmerfeld geschafft hat und haben einen „großen Kampf“ angekündigt.
Meilenstein in der Geschichte des Match Race Germany
Neu sind in diesem Jahr aber nicht nur die Frauen am Start. Auch die Sponsorenfamilie des deutschen Matchrace-Klassikers erfreut sich neuer Partner. Dazu gehört das regionale TK-Unternehmen TeleData in Friedrichshafen. Armin Walter, kaufmännischer Geschäftsführer der Teledata sagt: „Wir freuen uns, das Match Race Germany mit der Bereitstellung einer hochverfügbaren Internetanbindung für die Übermittlung der Live-Übertragung unterstützen zu können.“ Mit der TeleData erfährt der technologische Sponsorenpool des Grand Prix von Deutschland eine weitere Aufwertung. „Wenn wir die Weltliga präsentieren, sollen auch die Präsentationsformen Weltliga-Niveau haben“, erklärt Veranstalter Harald Thierer die ehrgeizigen Ziele seines Teams, das schon durch das Engagement von Alcatel-Lucent enormen Rückenwind bekommen hat. Die Premiere der Live-Übertragung der Duelle via Internet gilt als Meilenstein in der Geschichte des Match Race Germany.