03.04.09 - Boris Herrmann und Felix Oehme auf Etappenstopp in Ilhabela ILHABELA.
"Das war ein kerniger Zweikampf wie wir ihn lieben. Aber nach diesem aufreibenden Finish bin ich erstmal ziemlich platt", war dem 27-jährigen Skipper Boris Herrmann am Ende einer 7.200 Seemeilen langen Etappe nur bedingt nach Feiern zu Mute. Doch die gegenseitige Champagnerdusche gönnte er den siegreichen "Roten", wie die Chilenen aufgrund ihrer Bootsfarbe kurz genannt werden. Triumphierend hatten sie hinter der Ziellinie auf die blaue "Beluga Racer" gewartet, die trotz des geringen Abstands zunächst nur schemenhaft aus einer subtropischen Regenwand auftauchte. Während die Deutschen im entscheidenden Moment wie gelähmt von einem Windloch aufgesogen schienen, rauschten die Südamerikaner im Bogen um die konsternierten Favoriten herum.
Standesgemäß gab es die erste Caipirinha, das brasilianische Nationalgetränk aus Zuckerrohrschnaps mit Limonen, schon an Bord. Auch wenn die Freude anfangs nicht überzuschäumen vermochte, so genossen doch alle einen ausgesprochen warmherzigen Empfang von Freunden und Fans. Nicht nur die Segelszene der Wassersporthochburg Ilhabela verfolgte den Zieleinlauf gebannt. Sogar die Fischer der Umgebung nahmen Anteil, und passierende Frachter meldeten sich über Funk. Genugtuung überwog nach 40 Tagen und rund zwölf Stunden, und doch blieb Zeit für eine erste selbstkritische Analyse.
War es ein taktischer Fehler, der am Ende zur Wehrlosigkeit führte? "Eher ein strategischer", meint Herrmann, "wir hatten diese lokale Kaltfront schlicht nicht auf der Rechnung, weil wir die Wetterkarten nicht entsprechend analysiert haben", gab er zu, "aber daraus müssen wir lernen." Sie seien ja noch keine alten Hasen, sondern Anfänger", stapelte er augenzwinkernd tief. In der letzten Nacht auf See war das norddeutsche Duo noch optimistisch und selbstsicher, bevor im Morgengrauen die verhängnisvolle Wolke von hinten immer näher rückte. Ob die Falle wirklich hätte verhindert werden können, sei jedoch selbst hinterher schwierig zu beurteilen. "Die Windunterschiede sind hier auf wenigen hundert Metern so extrem, dass auch der Glücksfaktor eine große Rolle spielt", so der Kieler.
Das Glücksgefühl der deutschen Crew sollte durch die Niederlage auch nicht nachhaltig leiden. "Wir dürfen über den ohne Zweifel etwas enttäuschenden Ausgang nicht vergessen, dass wir das Südpolarmeer erfolgreich gemeistert und Kap Hoorn gerundet haben", erinnert der ebenfalls 27-jährige Co-Skipper Felix Oehme an die Höhepunkte der so genannten Königsetappe. "Diese unvergleichlichen Erlebnisse und Erfahrungen nimmt uns niemand mehr", so der geborene Lübecker, "die Chilenen haben nach einem großartigen Rennen verdient gewonnen, aber wir sehen uns nicht als Verlierer."
Als Boris Herrmann und Felix Oehme nach der ersten Nacht ohne Rohrkoje wieder vorsichtig an Deck gingen, waren die Chilenen schon auf dem Weg in die Heimat, wo sie sich nochmals ordentlich feiern lassen wollen. Das Beluga-Team bleibt dagegen in Brasilien und bereitet sich vor Ort auf die vorletzte Etappe vor. "Unser Boot hat trotz schwerer Stürme keine nennenswerten Schäden erlitten", berichtet Herrmann, "aber wir wollen das Material trotzdem durchchecken, um kein Risiko einzugehen." Die Yachten vom Typ Class 40 haben damit ihre Feuertaufe rund um die Welt schon fast bestanden. Kritiker hatten den Einsatz von nur zwölf Meter langen Booten beim Portimão Global Ocean Race skeptisch gesehen, wurden aber spätestens jetzt eines Besseren belehrt. "Die ’Beluga RacerŒ hat uns solide, sicher und schnell durch extremste Situationen gebracht", erklärt der Skipper zufrieden.
Beim Gedanken zurück an den Southern Ocean wird er wehmütig. "Ich habe jetzt schon wieder Sehnsucht nach dem Pazifik und will da unbedingt noch einmal hin", so Boris Herrmann. Er liebäugelt mit einem Start bei der nächsten Einhandregatta Vendée Globe, die vor wenigen Wochen zu Ende gegangen ist. Sie wird mit 18 Meter langen Open-60-Yachten nonstop um die Welt gesegelt und gilt als größte Herausforderung überhaupt für Hochseesegler.
Aber als nächstes steht das vierte Teilstück des Portimão Global Ocean Race an, das am 25. April gestartet wird. Es führt über rund 4.500 Seemeilen nach Charleston in den US-Bundesstaat South Carolina. "Das könnte für uns die schwierigste Etappe werden, denn es ist mit langen, spitzen Halbwindkursen und leichten bis mäßigen Winden zu rechnen, bei denen die Briten und Chilenen mit ihren Booten Vorteile haben", befürchten Herrmann und Oehme. Mit einem Etappensieg könnte die "Beluga Racer" zwar für eine Vorentscheidung sorgen. Doch wahrscheinlicher ist, dass es im Juni bei der Transatlantiketappe zurück nach Portimão/Portugal zum Showdown um den Gesamtsieg kommt.