26.04.10 - Die Rolex Farr 40-WM hat sich einmal mehr als die Meisterschaft schlechthin unter den Einheitsklassen erwiesen, an der sich alle anderen messen lassen müssen. Die WM 2010 vor der Casa de Campo in der Dominikanischen Republik wurde erst am letzten Tag im letzten Rennen direkt vor einer riesigen Zuschauermenge entschieden, die sich in Schlauchbooten oder 25-Meter-Sportfischer-Yachten versammelt hatte. Massimo Mezzaromas „Nerone“ (Italien) beendete den Tag als gefeierte Titelträgerin, nachdem sie sich wie in einer Gladiatoren-Arena eines Blockbuster-Films durchgesetzt hatte. Es war nach 2003 bereits der zweite Titelgewinn. Guido Belgiorno-Nettis' „Transfusion“ (Australien) wurde am Ende zwar geschlagen, hat sich aber sicher nicht blamiert. Für die deutsche Crew des Lüneburgers Dr. Wolfgang Schäfer blieb mit der „Struntje light“ am Ende Platz neun. Die nächste Rolex Farr 40-Weltmeisterschaft wird im Februar 2011 in Sydney ausgetragen.
Der Finaltag startete sehr früh, da sich der oberste Wettfahrtleiter, Peter Reggio, verpflichtet fühlte, den WM-Teilnehmern die Chance zu geben, die geplanten zehn Wettfahrten tatsächlich auch zu segeln, nachdem die Rennen am zweiten Tag mangels Wind ausgefallen waren. Das erste Startsignal erklang daher noch vor 10 Uhr. Drei Rennen waren angesetzt und der Wind spielte mit, so dass drei Rennen mit höchster Intensität durchgezogen werden konnten. Drei Hauptdarsteller stritten noch um die Lorbeeren. Die Titelverteidigerin „Barking Mad“ von Jim Richardson (USA) ersegelte mit den Rängen zwei, drei und eins dabei ihr bestes Tagesresultat bei dieser WM, konnte in den Titelkampf aber als Gesamt-Dritte letztlich doch nicht mehr eingreifen.
Die Australien auf der „Transfusion“ gingen mit einem Zwei-Punkte-Vorsprung in den Tag, und Belgiorno-Nettis war sich darüber im Klaren, dass dies keine komfortable Situation war. Letztlich hatte er aber alle Trümpfe in der Hand und musste sich nur vor der „Nerone“ halten. Leichter gesagt als getan. Die Italiener sind gerissene Füchse, die in der Lage sind, selbst aus der schwierigsten Situation noch einen Vorteil zu ziehen – wie sich im ersten Rennen des Tages zeigte. Am Vor-Wind-Tor ging die „Transfusion“ an zweiter Position auf die rechte Seite, während sich „Nerone“ auf das Spinnaker-Manöver konzentrierend in einer prekären Situation wiederfand. Durch eine Behinderung der „Transfusion“ kassierte sie einen Penalty.
Dennoch schaffte es die „Nerone“-Crew bis zum Ende des Rennens als Vierte den Schaden mit dem Verlust von nur einem Punkt gegenüber der drittplatzierten „Transfusion“ in Grenzen zu halten – eine außergewöhnliche Leistung von Taktiker Vasco Vascotto, der seinem Ruf einmal mehr gerecht wurde. Denn Terry Hutchinson sagte einmal über ihn: „Gegen Vasco zu segeln, macht dich zu einem besseren Segler.“ Es ist sicher hart zu sagen, dass Tom Slingsby, Taktiker auf der „Transfusion“ eine Lehrstunde erhalten hätte, wie man seine Chancen nutzt, aber im zweiten Rennen war es so. Angestachelt durch ihren Fehler im ersten Rennen stürzten sich die Italiener mit Feuereifer in das zweite.
Der zunehmende Wind pendelte hin und her, und der Schlüssel zum Erfolg war, in jeder Phase aufmerksam zu sein. „Nerone“ gelang das, „Transfusion“ nicht. Die Australien mussten sich schließlich mit dem fünften Platz begnügen, während die Italiener das Feld als Erste ins Ziel führten und damit den Drei-Punkte-Rückstand mit einem Schlag in einen Ein-Punkte-Vorsprung umwandelten. Das starke Ergebnis von „Nerone“ versetzte sie in die Lage, im letzten Rennen lediglich direkt vor oder hinter der „Transfusion“ ins Ziel kommen zu müssen. Der Druck lag damit auf den Männern von Downunder. Zum ersten Mal im Verlaufe der Meisterschaft hatten sie die Führung verloren.
Das dritte Rennen des Tages und das zehnte in der Meisterschaft wurde in einer stürmisch aufbauenden Brise gesegelt, die die Crews insbesondere auf den Spinnaker-Kursen hart herausforderte. „Nerone“ suchte bereits in der Vorstartphase den direkten Kampf mit der „Transfusion“. Vascotto gegen Slingsby hieß das Match-Race. Da Slinsby aber vor allem für seine Fleet-Race-Fähigkeiten bekannt ist und nicht für den Kampf Boot gegen Boot, entschlüpfte er den Italienern, und ihm gelang ein guter Start, während die „Nerone“ in der Mitte der Startlinie fest hing. „Barking Mad“ übernahm die Führung und sicherte sich den Sieg in diesem Rennen, während es dahinter jede Menge Drehungen und Wendungen gab.
Dabei schienen die „Nerone“ und „Transfusion“ wie durch ein elastisches Band verbunden zu sein. Wenn auch immer sie sich trennten, kamen sie nach kurzer Zeit wieder dicht zusammen. Wenn der eine auf der Kreuz nach rechts fuhr und der andere nach links, dann trafen sie sich an der Luvtonne wieder direkt Heck an Bug. Zunächst hatten die Italiener einen kleinen Vorteil, aber die Australier gaben niemals auf. Ihr Problem war allerdings, ein weiteres Boot zwischen sich und die Italiener bringen zu müssen. Auf dem letzten Kreuzschlag schien es dann aber so, als könnte die „Enfant Terrible“ von Alberto Rossi (Italien) die Party ihrer Landsleute verderben. Doch Mezzaromas Team schloss die Tür und die Lücke zur „Transfusion“.
In den stürmischen Bedingungen, inmitten des hohen Wellenganges und vor der begeisterten Zuschauermenge versuchte die „Transfusion“ alles, setzte jede Menge Halsen, um die „Nerone“ zu einem Fehler zu zwingen. Die Italiener aber witterten den Sieg, segelten ohne Fehler und schafften es sogar, sich vor die „Transfusion“ zu setzen. Und so schwollen der Lärm und die Feierstimmung bereits an, bevor die neuen Weltmeister noch die Ziellinie überquert hatten. Mit dem zweiten Rang in diesem Rennen hat die „Nerone“ die Weltmeisterschaft bereits zum zweiten Mal gewonnen. Klassen-Boss Geoff Stagg sagte dazu: „Es gehört eine Menge Glück, aber auch großes Können dazu, um die Rolex Farr 40-Worlds zu gewinnen.“ Die „Nerone“ hat in den vergangenen vier Tagen das wilde Pferd des Glückes sicherlich am geschicktesten geritten.
Mezzaramo feierte den Sieg ausgelassen mit seiner Crew, als sie die Ziellinie überquerten, aber an Land war er zurückhaltender: „Diese Weltmeisterschaft hat eine große Bedeutung für uns, da mein Miteigner und Steuermann Antonio Sodo im vergangenen Monat einen schweren Unfall hatte. Wir haben diesen Titel für ihn und für Simon, ein weiteres Crewmitglied, geholt. Beide liegen verletzt zu Hause und es ist sehr wichtig für uns, dieses Resultat eingefahren zu haben.“ Mezzaramo fügte an: „Im vergangenen Jahr bei der Weltmeisterschaft vor Sardinien waren wir sehr unglücklich, denn es ist hart, den Titel im letzten Rennen der Serie zu verlieren. Diesmal haben wir es geschafft. Manchmal passt eben alles zusammen, manchmal nicht.“
Für die Rolex Farr 40-WM im kommenden Jahr in Sydney ist Mezzaramo ehrlich: „Wir haben darüber nachgedacht, nicht hinzufahren, denn wir werden langsam alt. Jeder hat Familie und Kinder. Aber nun gibt es keine Chance, nicht dabei zu sein.“ Vascotto war – wie es seine Art ist – sehr ausgelassen, aber respektvoll gegenüber den Gegnern: „Es war ein wirklich taffes Rennen gegen die ,Transfusion‘, und sie haben eine fantastische WM gefahren. Beide Crews wussten, dass es ein hartes Rennen bis zu den letzten Metern werden würde. Wir waren darauf vorbereitet und haben hart gearbeitet, besonders im ersten Rennen des Tages. Wir lagen nach dem Penalty klar zurück, aber wir hatten ein starkes Comeback und haben um jeden Meter gekämpft. Das ist die Art und Weise, wie ich das Gewinnen mag. Wir sind sehr glücklich, denn ich hatte schon vergessen, wie es ist zu gewinnen. Denn es ist schon so viele Jahre her.“
Während die Italiener in typisch südländischer Art mit Champagner-Dusche, liebkosend und küssend feierten und sich gegenseitig in den Hafen warfen, dachte die Crew der „Transfusion“ darüber nach, was sie verloren hatte. Nachdem sie aber Mezzaramo und seinem Team gratuliert hatten, waren sie auch stolz auf ihre Leistung und den zweiten Platz. Wie der Rest der Farr-40-Klasse blickte Belgiorno-Nettis anschließend bereits auf das nächste Jahr, wenn die Rolex Farr 40-Worlds in seinem Heimatland ausgetragen werden: „Alles in allem sind wir zufrieden mit dem Ausgang der WM. Es war eine fantastische Gelegenheit, hierher zu kommen und zu sehen, wie die besten Segler der Welt segeln. Jetzt wissen wir, dass wir mit ihnen mithalten können. Wir werden ihnen eine gehörige Abreibung verpassen, wenn sie im kommenden Jahr zu uns nach Sydney kommen.“
Endstand der Rolex Farr 40-Weltmeisterschaft nach zehn Wettfahrten (Position, Bootsname, Eigner, Nationalität, R1, R2, R3, R4, R5, R6, R7, R8, R9, R10, Gesamtpunktzahl
1. Nerone, Massimo Mezzarona/Alberto Signorini (Italien), 2-5-5-2-1-1-7-4-1-2, 30
2. Transfusion, Guido Belgiorno-Nettis (Australien), 1-1-3-3-2-6-5-3-5-3, 32
3. Barking Mad, Jim Richardson (USA), 4-3-1-10-3-3-3-8-2-3-1, 38
4. Estate Master, Lisa & Martin Hill (Australien), 7-2-10-8-4-9-1-5-2-7, 52.5
5. Fiamma, Alessandro Barnaba (Italien), 5-7-6-1-7-1-10-6-6-4-6, 58
6. Enfant Terrible, Alberto Rossi (Italien), 6-10-4-5-6-4-4-7-8-4, 58
7. Goombay Smash, Doug Douglass (USA), 8-8-2-7-10-2-2-10-9-5, 63
8. Plenty, Alex Roepers (USA), 3-9-7-6-9-5-3-9-6-8, 65
9. Struntje light, Wolfgang Schäfer (Lüneburg), 9-4-9-4-8-7-9-8-7-9, 74
10. Flash Gordon 6, Helmut & Evan Jahn (USA), 10-6-8-9-5-8-10-1-10-10, 77